Der blinde Passagier
hartgekochtes Ei.
„Flugkapitäne sind für sie Halbgötter“, sagte der hellblonde Steward Eckelkamp lachend. „Das einfache ,Chef’ gilt für alle, aber ein Captain ist ein ,Chef-Chef’. Damit müssen wir uns abfinden.“
„Sehr richtig“, sagte Kapitän Roland und hob seine zwei Meter aus dem Stuhl hoch. „Und jetzt geht der Chef-Chef mal zum Telefon, um zu erfahren, was mit dem Wetter über Brasilien los ist. Sei übrigens nicht so zimperlich, wenn du jetzt dein Frühstück bestellst“, sagte er noch zu Peter, „die Fluggesellschaft bezahlt alles.“
Obgleich es noch ziemlich früh war. stand die Sonne schon hoch am Himmel. Eine schwarze Möwe hing in der Luft, ohne sich im geringsten zu bewegen. Sie hätte eigentlich herunterfallen müssen.
Und dann sagte Steward Eckelkamp plötzlich: „Rio liegt noch im Nebel.“
„Sind Sie Heilseher?“ fragte Frau Bergström.
„Das nicht, aber er hat sein Angelzeug bei sich.“
Tatsächlich kam Kapitän Roland mit zwei Angeln, einer wasserdichten Tasche und einer Zigarre im Mund vom Hotel her.
„Die Brühe soll langsam nach Nordamerika abwandern.“ Der Lufthansakapitän paffte eine Rauchwolke in die Luft. „Aber das dauert noch. Wir haben bis Mittag schulfrei. Dann sollen wir wieder im Hotel sein, um zu erfahren, wie es weitergeht.“
Steward Eckelkamp bekam den Auftrag, die übrige Crew und alle Passagiere zu benachrichtigen und im Hotel zu bleiben, damit immer jemand von der Besatzung für die Leute vom Flugplatz zu erreichen war.
Genau in diesem Augenblick kam Doudou vom Strand herauf, japste nach Luft und sprudelte französische Worte heraus.
„Unser Boot ist startklar“, grinste Kapitän Roland und holte für Doudou ein Geldstück aus der Tasche.
„Merci, Chef-Chef.“
„Also, Dick, auf geht’s!“ Mit Dick war der Kopilot gemeint. Der Kapitän trank im Stehen seine Kaffeetasse leer. „Sie können gerne mitkommen“, meinte er zu Frau Bergström und Peter, „aber bestimmt ist es für Sie interessanter, sich in Dakar umzuschauen, wenn Sie schon einmal hier sind. Sagen Sie Herrn Schifferli Bescheid, er soll Ihnen behilflich sein.“
Frau Bergström und Peter sahen noch, wie der Kapitän und sein Kopilot durchs Wasser wateten. Das Boot hatte einen ganz spitzen Kiel und ein Segel, das schon oft geflickt sein mußte. Ein baumlanger Neger, der so schwarz war wie die dunkelste Nacht, begrüßte sie und half ihnen an Bord.
Der Sand am Ufer der Bucht war schneeweiß, und an den Palmen hingen Kokosnüsse.
Und dann trat Herr Schifferli aus Luzern in Aktion. In fünf Minuten hatte er alles arrangiert. Es gab einen regelmäßigen Omnibusverkehr in die Stadt, und Doudou wurde zum Fremdenführer bestimmt. Schließlich telefonierte Herr Schifferli noch einmal mit dem Fernamt in Dakar.
„Ich sage, daß du selbst zum Hauptpostamt kommst. Das ist vielleicht sogar noch besser. Dann bist du direkt an der Quelle. Und der Boy weiß, wo der richtige Schalter ist. Ich sage ihm jetzt genau, worauf es ankommt, und schreib’ ihm auf, was wichtig ist.“
Der Omnibus war alt, klapprig und ziemlich leer. Der schwarze Chauffeur sang ständig irgend etwas vor sich hin. Er hatte sich um die Windschutzscheibe farbige Fotos angeklebt, die aus irgendwelchen Illustrierten ausgeschnitten waren.
„Dakar ist die größte Stadt des Schwarzen Erdteils und die Hauptstadt von Senegal.“ Frau Bergström hatte sich im Hotel vor der Abfahrt noch einen Reiseprospekt besorgt. „Bis zur Entstehung der Freien Republik Senegal war das Land in französischem Besitz. Bereits im Jahre 1677 erschienen die ersten Schiffe der Franzosen am Horizont.“
Die Häuser am Rande der Stadt waren nur niedrig und wie viereckige Schachteln aus Stein neben- und ineinander gebaut. Sie waren mehr oder weniger weiß. Nur die hölzernen Fensterläden waren blau oder orangefarben angestrichen. Einmal stand ein Affenbrotbaum dazwischen. Er war riesengroß und mußte steinalt sein.
Die Straße wurde allmählich breiter und war plötzlich asphaltiert. Und jetzt wuchsen die Häuser immer mehr in die Höhe. Sie waren teilweise modern wie in jeder Hauptstadt Europas.
Die Endstation war ein großer Platz im Zentrum der Stadt. Der schwarze Chauffeur, dünn wie eine Bohnenstange, stieß die Tür mit dem Fuß auf und steckte sich eine Zigarette zwischen die Zähne. Cowboys in amerikanischen Filmen benahmen sich nicht halb so lässig.
Jetzt hatte Doudou seinen großen Augenblick.
„Das da drüben ist das
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