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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Regierungsgebäude und die rotgelbblaue Flagge ist die Fahne von Senegal“, übersetzte Frau Bergström seine französischen Erklärungen.
    Obgleich es Sonntag war — oder vielleicht gerade deshalb war der Platz voller Menschen. In der Hauptsache waren es Leute mit tiefschwarzer Hautfarbe. Die Männer trugen zum Teil europäische Kleidung. Manche hatten Tropenhelme auf dem Kopf und Sonnenbrillen auf der Nase. Aber viele gingen auch im weißen oder blauen Bubu, einem Umhang, der bis zu den Knöcheln reichte. Man trug dazu rote Feze oder Turbane in allen Farben. Die Frauen bevorzugten Silber und Gold. Ihre Kleider wehten um sie herum und hinter ihnen her wie Wolken von Tüll oder Musselin. Sie trugen Schmuck an Hals und Armen, und ihre Haare waren phantasievoll in die Höhe frisiert.
    Frau Bergström und Peter blieben eine Weile stehen und schauten sich um. Aber das hätten sie nicht tun dürfen. Sofort kamen nämlich Negerjungen angelaufen. Sie hatten kleine Holzkistchen umgehängt und wollten ihnen unbedingt die Schuhe putzen.
    „Das ist doch im Hotel schon ausgezeichnet besorgt worden“, sagte Frau Bergström lachend.
    Die kleinen Neger waren aber hartnäckig. Und genauso aufdringlich waren die fliegenden Straßenhändler, die jetzt plötzlich da waren, als seien sie vom Himmel gefallen. Sie wollten handgearbeitete Silberwaren verkaufen, Früchte, die Peter noch nie im Leben gesehen hatte, Armbanduhren, Negermasken oder das „Kreuz des Südens“ an einer Halskette, angeblich aus Gold. Sie redeten alle durcheinander und schoben sich gegenseitig immer wieder zur Seite.
    Peter Schimmelpfennig zückte seinen Fotoapparat.
    Die Wirkung war gewaltig. Augenblicklich war es ganz still. Alle lächelten nur noch und stellten sich in Positur.
    Aber im gleichen Augenblick, als Peter den Verschluß ausgelöst hatte und den Apparat vom Auge nahm, fing das Durcheinanderreden wieder an, so, als ob es nur für zwei oder drei Sekunden abgeschnitten gewesen wäre.
    Da fing Doudou in seiner Muttersprache zu schimpfen an, warf seine Arme in die Luft und rollte mit den Augen. Und es dauerte gar nicht lange, da waren die Händler und Jungen genauso schnell, wie sie gekommen waren, wieder verschwunden.
    Doudou zog sein blaues Jackett gerade und grinste.
    Das Postamt lag in einer Straße mit sehr eleganten französischen Geschäften. Doudou entschuldigte sich und verschwand in dem Gebäude.
    Peter Schimmelpfennig fotografierte inzwischen ein bißchen durch die Gegend und machte auch ein Bild von Frau Bergström.
    „Hallo, Chef“, sagte plötzlich eine leise, heisere Stimme. Sie gehörte einem Burschen von etwa zwanzig Jahren. Er hatte ziemlich wulstige Lippen, und seine Blue jeans waren an den Knien beinahe durchgescheuert. „Viertausend“, flüsterte er und holte ein nagelneues Fernglas unter seiner Jacke hervor. Gleichzeitig zeigte er einen Taschenschirm. Er spannte ihn mehrmals auf und zu, um zu zeigen, wie gut das Ding funktionierte.
    „Ich bin zwar kein Kriminalbeamter“, sagte Frau Bergström, „aber ich kombiniere trotzdem, daß die Sachen geklaut sind.“
    Als Doudou zurückkam, genügten ein paar Worte und eine Handbewegung, wie man sie macht, wenn man eine Fliege verscheucht. Der Kerl mit seinem Fernglas und dem Regenschirm war wie weggeblasen.
    Doudou berichtete, was er erreicht hatte.
    „Wir müssen in einer halben Stunde wieder nachfragen“, übersetzte Frau Bergström. „Aber es könnte auch noch länger dauern.“
    Doudou nickte wieder einmal, als ob er jedes Wort verstanden hätte, und schlug vor, den Markt zu besuchen. Bis dorthin seien es nur knappe fünf Minuten.
    „Was haben die Leute eigentlich zwischen den Zähnen?“ fragte Peter nach einer Weile. Die meisten Frauen und Männer kauten an kurzen Holzstäbchen. Wenn man nicht ganz genau hinsah, konnte man den Eindruck gewinnen, Dakar sei eine Stadt von lauter Zigarettenrauchern.
    Aber Doudou erklärte dann, daß es sich bei den Holzstäbchen um Stückchen einer ganz bestimmten Wurzel handelte, die man an jeder Ecke kaufen konnte. Und man kaute sie, weil das gut für die Zähne sein sollte und man sich damit das Putzen ersparte.
    Die Marktstände waren rund um eine Moschee aufgebaut. Man hatte überall Planen aus Segeltuch aufgespannt, um sich vor der Sonne zu schützen. Die Menschen schoben und drängten sich. Händler riefen mit lauten Stimmen ihre Waren aus. Manche schlugen Blechbüchsen aufeinander, um sich bemerkbar zu machen. Ein dicker Neger, der

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