Der blinde Passagier
Lufthansapassagieren gerufen hatten, war er gerade unter Wasser gewesen.
Der Bus wollte schon abfahren, da kam Herr Schifferli aus dem Hotel gerannt. Er klopfte an das Fenster, hinter dem Peter Schimmelpfennig neben Frau Bergström Platz gefunden hatte.
„Dein Gespräch aus Hamburg“, rief Herr Schifferli. Seine Stimme kippte dabei etwas um, denn er war für sein Körpergewicht ein wenig zu schnell über die Treppen geflitzt.
Steward Eckelkamp überlegte nicht lange. Er ließ Peter wieder aussteigen und gab gleichzeitig dem Bus das Zeichen zur Abfahrt.
„Du hast genau zehn Minuten, mein Sohn“, sagte der flachsblonde Steward. „So lange brauche ich, um hier noch klarzukommen. Aber ich fahre als letzter, und wenn ich weg bin, gibt’s hier nur noch heiße Luft für dich.“
Peter jagte wie ein Hürdenläufer an Herrn Schifferli vorbei über die breite Treppe und in die Telefonzelle, deren Tür offenstand.
„Hier spricht Peter Schimmelpfennig“, sagte er ziemlich außer Atem, als er den Hörer am Ohr hatte.
Ein Kapitel, in dem
ziemlich viel telefoniert wird
„Hallo, Schimmelfritze“, rief Dr. Liesegang so laut, daß man ihn beinahe auch ohne Telefon in Afrika hätte hören können. „Vorgestern hast du hier noch meine Tennisbälle gesammelt und heute treibst du dich schon in einem anderen Erdteil herum. Mich laust der Affe!“
„Wie gehen die Geschäfte, Herr Doktor?“ fragte Peter Schimmelpfennig vorsichtig. Dabei schloß er die Tür seiner Telefonzelle hinter sich, damit man ihn draußen nicht hören konnte. „Ich meine, passiert denn genügend Aufregendes, damit Ihre Zeitung auch immer etwas Feines zu drucken hat?“
„ Ein paar Zimmerbrände, weil die Leute mit ihren Kerzen an den Weihnachtsbäumen nicht aufgepaßt haben.“ Dr. Liesegang setzte sich in seinen breiten Sessel und legte die Füße auf die Schreibtischplatte. „Aber ich hoffe, du rufst mich nicht aus dem Urwald an, nur weil du wissen willst, was hier los ist. Menschenskind. jede Minute kostet ein Vermögen! Sag endlich, wie du um alles in der Welt haargenau und ausgerechnet nach Dakar kommst!“
Eine ganz Weile hörte Dr. Liesegang jetzt nur zu. Er zog dabei an seiner Zigarre und blickte durch sein Fenster auf die Elbe hinunter und in den grauen Himmel hinauf. „Nein, ausgezeichnet“, sagte er nur zwischendurch einmal. „Die Verständigung ist so klar wie bei einem Ortsgespräch.“ Und dann horchte er von neuem in den Hörer hinein. Er blies mit seinem Zigarrenrauch wieder einmal Ringe in die Luft, und seine Frau stellte ihm dabei eine Tasse mit heißem Kaffee neben die Füße auf den Schreibtisch.
„Ist ja kolossal“, sagte der Chefredakteur nach einiger Zeit und fing an, sich Notizen zu machen. Und dann meinte er schließlich: „Das ist ja alles nicht zu glauben! Wenn du mir das jetzt nicht erzählen würdest, könnte es von mir erfunden sein. So gut ist das.“ Er nahm einen Schluck Kaffee und notierte weiter in Stichworten, was er hörte.
„Das wäre es so im großen und ganzen. In ein paar Minuten geht es wieder zum Flugplatz, und eigentlich ist damit zu rechnen, daß ich jeden Augenblick geholt werde.“ Peter Schimmelpfennig wischte sich den Schweiß von der Stirn. In der Telefonzelle war es heiß wie in einem Backofen. „Vor allem müssen Sie bitte gleich meiner Mutter Bescheid sagen. Wir wohnen Steinfeldstraße 84 im vierten Stock. Und eigentlich weiß ich nicht, was ich machen soll und wie es weitergeht. Wenn ich Glück habe, komme ich noch bis Rio. Aber es ist natürlich auch möglich, daß ich kein Glück habe.“
„Nun paß mal genau auf, Schimmelfritze!“ sagte Dr. Liesegang am anderen Ende der Leitung. Und dieses andere Ende lag immerhin runde sechstausend Kilometer weg. „Deine
Geschichte ist ein Knüller, wie er im Buche steht. Wenn du weißt, was ich damit meine. Sie ist besser als sieben Morde und vier Bankeinbrüche zusammen. Was meine Zeitung dafür bezahlt, muß die Direktion entscheiden. Aber so viel kann ich dir schon versprechen: Das Geld, das dieser Kerl deiner Mutter aus dem Eisschrank geklaut hat, springt gewiß dabei heraus.“ Dr. Liesegang klemmte sich jetzt seinen Flörer zwischen Ohr und Schulter. Dadurch hatte er die Hände frei. Er machte seine Schreibtischschublade auf und fing an, in ihr herumzukramen. „Für mich ist das jetzt natürlich eine verdammte Situation. Als Zeitungsmann wünsche ich mir, daß du möglichst viel erlebst. Aber gleichzeitig packst du mir da
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