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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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fing von neuem an, sich aufzuregen. Eine Weile ging jetzt die Streiterei zwischen den beiden hin und her. Am Ende spuckte der unrasierte Taxifahrer seinen Zahnstocher quer durch das Zimmer und schlug wütend die Tür hinter sich zu. Es war ein wirkungsvoller Abgang.
    „Er wollte viertausend”, grinste Rodrigo Sola, „aber die Fahrt vom Flugplatz hierher kostet nicht mal die Hälfte. Ich hab’ ihm zweitausend gegeben, damit kann er zufrieden sein.“
    Und dann ließ Senhor Tavares in sein Büro bitten.
    Herr Sola schlug vor, als Dolmetscher mitzukommen. Er gab ganz offen zu, daß ihm sehr daran lag, bei dieser Gelegenheit dem Boß wieder einmal unter die Augen zu kommen. „Vielleicht fällt ihm ein, daß er einen Auftrag für mich hat, wenn er mich sieht.“
    „Eine Hand wäscht die andere“, meinte Peter Schimmelpfennig, und gleich trabten die beiden los. Zuerst ging es durch einen breiten Korridor, dann durch einen Saal mit Fernschreibern und einer Telefonzentrale. Eine gepolsterte Doppeltür führte schließlich ins Allerheiligste.
    Der Chef der brasilianischen Presseagentur kam Peter Schimmelpfennig mit ausgebreiteten Armen entgegen. „Welcome in Rio!“ Er war groß und schlank und von einer Parfümwolke umgeben. „How are you?“
    „Thank you, Mister Tavares“, antwortete Peter und kramte sein Englisch zusammen. „Very glad to see you. But my English is not so good, excuse me .“
    Doch Senhor Tavares versicherte, daß sich Peters Englisch ausgezeichnet anhöre. Trotzdem sprach er jetzt lieber brasilianisch und benutzte Herrn Sola als Dolmetscher.
    „Dr. Liesegang hat mit mir gesprochen und vor allem darum gebeten, daß du sofort nach deiner Ankunft mit ihm telefonierst. Das Gespräch habe ich schon anmelden lassen, als du mir gemeldet worden bist. Wir haben auch den Auftrag, dir brasilianisches Geld auszuhändigen. Die Kasse ist verständigt, und es wird gleich hierhergebracht. Leider kenne ich deinen Onkel nicht persönlich.“
    Peter Schimmelpfennig wurde um eine Spur aufmerksamer. „Aber unsere Agentur arbeitet mit ihm und seiner Zeitung schon seit vielen Jahren zusammen.“ Senhor Tavares trug eine schneeweiße Krawatte aus Seide und hatte zwei große Ringe mit kostbaren Steinen an den Händen. Er wartete jetzt, bis Herr Sola seine Worte übersetzt hatte. „Wir freuen uns“, sprach er dann weiter, „daß wir Gelegenheit haben, Herrn Dr. Liesegang gefällig zu sein. Wo wirst du wohnen?“
    „One moment“, murmelte Peter Schimmelpfennig und suchte in seinen Taschen nach dem Stück Papier, auf das er sich in Dakar Jimmy Millers Hotel aufgeschrieben hatte. „Hotel Excelsior in Copacabana“, las er schließlich von einem zerknitterten Zettel ab.
    Und dann klingelte auch schon das Telefon.
    „Hamburgo“, sagte Senhor Tavares, als er den Hörer abgenommen hatte, und winkte Peter zu sich. „Please.“
    Im gleichen Augenblick öffnete sich beinahe geräuschlos eine schmale Seitentür, und eine sehr schlanke und langbeinige junge Dame brachte ein ganzes Bündel Banknoten. Senhor Tavares unterschrieb eine Quittung und schob das Geld über die Schreibtischplatte zu Peter hinüber. Die langbeinige junge Dame, die irgendwie von einer Filmleinwand heruntergestiegen sein mußte, war inzwischen wieder verschwunden.
    „Bitte den Chefredakteur“, sagte Peter Schimmelpfennig ins Telefon.
    Der Boß der brasilianischen Presseagentur machte ein paar Schritte zu einem großen Aquarium. Er drehte Peter rücksichtsvoll den Rücken zu und fing an, ein paar farbige Fische zu füttern.
    Gleichzeitig war der junge Mann namens Rodrigo Sola zu dem hohen Fenster gewandert, das so breit wie der ganze Büroraum war. Er stellte einen Fuß auf die Fensterbank und schaute auf die Stadt hinunter. Der Blick ging bis zur Bucht von Guanabara und noch weit hinaus auf den Ozean.

Peter Schimmelpfennig hat plötzlich
einen Onkel namens Alexander

    „Großartig“, rief Dr. Liesegang, „du bist also in Rio.“ Er schob einen kleinen Hebel neben dem Telefon nach links. „Wir haben hier gerade unsere Redaktionssitzung. Der Apparat ist auf Konferenzschaltung umgestellt. Das bedeutet, daß alles, was du sagst, über den Lautsprecher kommt. Die Redakteure, die hier am Tisch sitzen, können also alles, was du sagst, mithören. So, und jetzt schieß los] Wie geht es dir? Wie war der Flug? Was war mit der Kontrolle an den Flugplätzen?” Der Chefredakteur nahm seine Zigarre vom Aschenbecher. Er drehte sie langsam zwischen den

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