Der blinde Passagier
aus weißen Bohnen und Pökelfleisch.
In dem Baum, der mitten im Hof stand, sprangen kleine Agutis herum, die wie Eichhörnchen aussahen. „Cidade maravilhosa“, sangen die Brasilianer, und eine Pandeiro schlug den Sambarhythmus dazu. Die Luft war nicht mehr ganz so warm, und dicht neben einem Kamin konnte man den Mond sehen.
„Das ist wirklich ein schöner Abend“, sagte der Professor schließlich und ließ sich eine Zigarre kommen. Dazu trank er noch seinen Rotwein aus, und die beiden Jungen bekamen Eis mit Schokoladensauce.
„Muito obrigado“, bedankte sich der Wirt und brachte seine Gäste schließlich bis zur Straße. „E muito bõa noite!“ Anschließend machten die drei noch einen Spaziergang über die Atlantica und zum Meer hinüber. Dabei kamen sie immer wieder an brennenden Kerzen vorbei, die dicht am Wasser im Boden steckten. Damit der Wind sie nicht auslöschte, hatte man im Sand Kuhlen für sie gegraben und rundherum kleine Wälle aufgeschüttet. Neben den Kerzen lagen Früchte oder Brot und manchmal auch Geld.
„Opfer für die Götter des Meeres“, sagte der Professor. „Das ist noch der alte Macumba-Glaube des Indianers. Mit der Flut kommt das Wasser immer näher zum Strand. Dann nehmen die Wellen die Opfer mit ins Meer hinaus.“
Immer wieder hockten einzelne Menschen oder ganze Gruppen wie Schatten im Sand. Man hörte Flüstern, das sich wie Beten anhörte. Manche sangen auch leise.
Auch der Professor setzte sich nach einer Weile in den Sand, und die beiden Jungen saßen neben ihm. Alle drei blickten hinaus in die Brandung. Sie kam immer wieder wie eine riesige schwarze Wand vom Meer auf den Strand zu. Wenn sie dann auseinanderbrach, glänzte ihr weißer Schaum im Mondlicht wie brodelndes, kochendes Silber.
Die Großmutter ist ein patentes Mädchen
Die ersten Zeitungen fielen morgens gegen zehn Uhr aus der Rotationsmaschine. Um die Mittagszeit lagen sie dann im allgemeinen bei den Zeitungskiosken oder in den Tabakgeschäften zum Verkauf aus. Trotzdem hieß die Zeitung Abendblatt, ohne daß es jemanden gestört hätte.
Es fiel den meisten Menschen schwer, sich nach den Feiertagen wieder an die Arbeit zu gewöhnen. Sie hatten sozusagen noch die letzte Christbaumkerze unter dem Flut und ein bißchen Engelshaar an den Ellbogen. Nur sah man es nicht.
Frau Schimmelpfennig nahm gerade ihren dicken Mantel vom Garderobenhaken im Korridor, da läutete es.
„Schönen Gruß von unserem Chef“, sagte der Mann, der in der Tür stand. Auf seiner Schirmmütze stand abendblatt geschrieben, und er hatte zehn Zeitungen in der Hand, die nach Druckerschwärze rochen und noch ganz feucht waren. „Ich bin mit meinem Lieferwagen durch die Stadt gerast wie mit einem Wagen vom Überfallkommando, allerdings ohne Blaulicht. Aber der Chef sagte, daß Sie die allerersten Exemplare bekommen sollen.“ Der Mann vom abendblatt nahm seine Hand an den Mützenschirm und grüßte wie ein Dampferkapitän.
„Ich könnte Ihnen einen Kirschlikör anbieten“, schlug Frau Schimmelpfennig vor.
„Wo denken Sie hin“, sagte der ABENDBLATT-Mann. „Ich muß wie der Blitz zum Lager zurück und Zeitungen ausfahren. Besten Dank.“ Er grüßte ein zweites Mal und verschwand.
Bevor er die Tür hinter sich zumachte, sagte er allerdings noch: „Ein tolles Ding“ und zeigte auf das Titelblatt der Zeitung.
Beinahe zehn Minuten lang war es dann in der Schimmelpfennigschen Wohnung so still wie in einer Kirche. Nur gelegentlich raschelte das Papier der Zeitungen, in die sich die Damen Schimmelpfennig bis über die Schultern vertieft hatten.
Die Schlagzeile ging über die ganze Breite der vier Spalten: „Hamburger Junge über Weihnachten als blinder Passagier unterwegs“, und darunter stand in kleinerer Schrift „Nach Dakar in Afrika“. Daneben hatte man ein Foto von Peter Schimmelpfennig zwischen den Text eingerückt. Es war im vergangenen Sommer an der Ostsee aufgenommen worden, und Peter lachte dem Beschauer mitten ins Gesicht. Ganz unten am Ende des Textes stand „Lesen Sie bitte weiter auf Seite 3“, und wenn man umblätterte, füllte die Fortsetzung des Artikels tatsächlich noch die ganze dritte Seite. Hier waren Fotos von Frau Schimmelpfennig und der Großmutter abgedruckt, von dem Untermieter Sang Ping und dem geöffneten Eisschrank. Ein Pfeil zeigte, wo sich das Tiefkühlfach befand.
„Der Mann vom abendblatt hatte recht“, sagte Frau Schimmelpfennig schließlich, „ein tolles Ding.“
„Ich lächle
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