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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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wären sie beinahe mit Rodrigo Sola zusammengestoßen. Er lehnte an der Rückwand eines Zeitungskiosks und sagte: „Bôa noite, chefes! Mir kommt dieser wunderschöne Wintermantel bekannt vor.“
    Im ersten Augenblick wollen die beiden Jungen auf und davon rennen. Aber der Brasilianer, der wieder sein gelbes Hemd und die langen, weißen Leinenhosen trug, hatte zwei Finger um den Griff von Peter Schimmelpfennigs Segeltuchtasche.
    „Ich schlage vor, wir nehmen einen Drink zusammen und unterhalten uns“, meinte Rodrigo. Er hatte eine Zigarette im linken Mundwinkel und lächelte.
    Jimmy und Sergio schauten sich an. Sie überlegten eine Weile, und zwischendurch beobachteten sie den Brasilianer in seinem gelben Hemd.
    „Okay“, sagte Jimmy schließlich, „und wo?“
    Rodrigo ging voraus, ohne sich umzudrehen. Er war sicher, daß die Jungen ihm folgen würden. Schon im nächsten Haus gab es eine Tagesbar mit dem üblichen Vorhang aus Perlenschnüren an der Tür: die Veloso-Bar.
    Die drei setzten sich ganz im Hintergrund des Lokals auf hohe Barhocker, die Jungen nebeneinander, der Brasilianer ihnen gegenüber. Nachdem ein dicker Mulatte die Getränke serviert hatte, waren sie ganz allein. Nur neben dem Eingang spielte ein kleines Kind mit einem Hund.
    „Saúde, Senhores!“ sagte Rodrigo Sola grinsend und nahm sein Whiskyglas in die Hand.
    „Saúde“, erwiderten die beiden Jungen und nahmen einen ersten Schluck von ihrem Tonicwater.
    Das jetzt folgende Gespräch führte Rodrigo Sola einmal in Englisch und einmal in Brasilianisch. Es hing davon ab, ob er gerade mit Jimmy sprach oder mit dem kaffeebraunen Sergio. In einer allgemeinverständlichen Sprache hätte sich die Unterhaltung etwa so angehört:
    „Ihr wißt natürlich Bescheid, weshalb man hinter eurem Freund her ist?“
    Die beiden Jungen saßen da wie Skatspieler und verzogen keine Miene.
    „Spätestens morgen früh bringen auch die Zeitungen von Rio sein Bild. Könnt ihr euch vorstellen, was das bedeutet?“ Es war nicht ersichtlich, ob sich die zwei Jungen überhaupt irgend etwas vorstellen konnten.
    „Wenn er von den Reportern, die jetzt noch in der Hotelhalle herumsitzen, irgendwo und irgendwie aufgestöbert wird, quetschen sie ihn aus wie eine Zitrone. Anschließend werfen sie ihn auf den Müll.“ Rodrigo Sola holte ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche: „Und dann ist alles vorbei. Man schiebt ihn einfach wieder ab.“
    Jimmy und Sergio nahmen gleichzeitig einen Schluck aus ihren Gläsern und sahen weiter geradeaus.
    „Aber wenn wir ins Geschäft kommen, Freunde, dann ist nicht alles vorbei. Dann fängt das Ganze überhaupt erst an.“ Der Brasilianer in seinem gelben Hemd schob die Zigaretten über den Bartisch. „Die Chance ist einmalig. Ich gebe zu, für alle. Für diesen Burschen aus Hamburg, für euch und natürlich auch für mich. Entscheidend ist nur, ob er jetzt Schluß machen oder weiterspielen will.“ Rodrigo schob sein Feuerzeug hinter den Zigaretten her. „Wenn er kein kompletter Idiot ist, macht er natürlich nicht Schluß. Aber dann muß ich ihn sprechen. Und wenn ihr wirklich seine Freunde seid, müßt ihr geradezu wild darauf sein, uns zusammenzubringen. Was ich ihm vorzuschlagen habe, kann nämlich kein anderer bieten.“
    „Und welche Garantien...?“ Jimmy nahm sich eine Zigarette. „Ich meine, Sie sind ja auch Reporter und wollen vielleicht nur der erste sein, der ihn fotografiert und ausfragt.“
    „Ich bringe keinen Fotoapparat mit und werde nicht eine einzige Frage stellen.“ Rodrigo Sola lächelte und holte ein Bündel Banknoten aus der Tasche. Ein paar davon legte er jetzt neben die Gläser mit dem Tonicwater. „Das ist nur eine kleine Anzahlung. Wenn ihr mich zu ihm gebracht habt, hüpfen noch mehr von diesen Scheinehen durch die Gegend.“ Sergio nahm einen von den Geldscheinen. Er hielt ihn gegen das Licht, als wolle er nachprüfen, ob er auch echt sei, und dann faltete er ihn der Länge nach sorgfältig zusammen. Jetzt knipste er das Feuerzeug an und hielt das Ende des zusammengefalteten Scheins über die Flamme. Als er brannte, hielt er ihn wie ein Streichholz vor Jimmys Zigarette. Die beiden Jungen blickten grinsend zu dem Brasilianer hinüber.
    „Ihr wollt also nicht?“ fragte Rodrigo.
    „Jedenfalls spielt Geld dabei keine Rolle“, erklärte Jimmy, „und der Junge aus Hamburg muß selber entscheiden, ob er Sie sprechen will.“
    „Genauso ist es“, bekräftigte der Hotelpage. „Einverstanden“,

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