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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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meinte Jimmy. Gleichzeitig ging Peter Schimmelpfennig zum Fenster und zog den Vorhang zu. „Der Zufall ist manchmal ein Eichhörnchen. Vielleicht ist ihm die Gegend bekannt, und er könnte sich orientieren.“
    Der Brasilianer blickte sich natürlich neugierig im Zimmer um, als er wieder sehen konnte. „Hallo, junger Mann“, sagte er und grüßte zu Peter Schimmelpfennig hinüber. Anschließend begrüßte er den Professor: „Hi, Sir, glad to see you.“
    „Bitte, nehmen Sie Platz“, antwortete Jimmys Vater. „Und da es ja eigentlich nur um unseren jungen Freund aus Hamburg geht, schlage ich vor, wir führen unsere Unterhaltung in seiner Sprache.“
    „Sie sprechen plötzlich Deutsch?“ fragte Rodrigo Sola und lächelte. „Gestern am Strand...“
    „Wir haben es über Nacht gelernt“, unterbrach ihn Jimmy. Dabei stellte er einen Stuhl in die Mitte des Zimmers.
    „Sehr aufmerksam“, meinte der Brasilianer und nahm Platz. Sergio hockte sich auf den Boden, und Jimmy lehnte sich neben der Tür an die Wand. Peter Schimmelpfennig ging zum Professor, der jetzt die Beine übereinanderschlug und die Hände über den Knien faltete.
    „Wir hören“, sagte er leise. Es entstand eine Pause.
    „Sie alle sind also seine Freunde?“ fragte dann Herr Sola und sah zuerst Jimmy, dann Sergio und schließlich den Professor an.
    „Ich glaube, wir können die Frage bejahen“, erklärte Mister Miller.
    „Und nicht daran interessiert, irgendwelche Geschäfte zu machen?“ Der Brasilianer holte seine Zigaretten aus der Tasche. „Mit ihm oder durch ihn, meine ich?“
    „Nein, daran sind wir nicht interessiert“, meinte der Professor, „vielleicht fällt es Ihnen schwer, uns das zu glauben, aber es ist wirklich so.“ Er lächelte verständnisvoll.
    „Vielleicht sollten Sie dann wissen, daß sich besonders seit gestern abend und heute morgen eine ganze Menge Leute für diesen Knaben interessieren.“ Sola grinste Peter Schimmelpfennig an. „Und zwar nur geschäftlich.“ Er holte ein paar Zeitungen aus der Tasche. „Sie verstehen es, wenn Sie sich das da genauer ansehen.“
    „Danke, aber wir wissen Bescheid“, erwiderte der Professor, „auch amerikanische, französische und englische Zeitungen bringen die Sache schon.“ Er zeigte jetzt seinerseits eine herald tribune, einen Figaro und einen Manchester Guardian. Sie waren teilweise auf hauchdünnes Luftpostpapier gedruckt. Sie brachten Peter Schimmelpfennigs Geschichte natürlich nicht als Schlagzeile, aber immerhin auf der dritten oder vierten Seite und mit einem Foto, während die brasilianischen Zeitungen — und besonders ein Blatt aus Rio — den Fall beinahe so groß aufgemacht hatten wie das abendblatt in Hamburg. Immerhin war ja hier das Endziel der Reise.
    „Ohne daß du es wolltest, hast du in ein paar Tagen erreicht, wovon Filmstars oder Politiker oder ein paar hunderttausend Menschen träumen“, erklärte jetzt der junge Mann namens Rodrigo Sola und betrachtete Peter Schimmelpfennig wie ein wertvolles Gemälde oder einen seltenen Wandteppich. „Dein Foto geht durch alle Zeitungen der Welt, und du bist als der vierzehnjährige blinde Passagier aus Hamburg’ schon beinahe so bekannt wie ein bunter Hund.“
    Der Brasilianer stand auf und rauchte weiter. Er war jetzt einfach zu nervös, um sitzen bleiben zu können. „Und damit kann man natürlich eine Menge anfangen. Daraus muß man ganz einfach etwas machen. Aber man darf keine Zeit verlieren. Stellt euch einen Ball vor, der in die Luft geschossen ist. Solange er noch steigt und oben bleibt, schaut man ihm nach.“ Rodrigo stand jetzt dicht vor Peter Schimmelpfennig. „Du bist nur interessant, solange du oben bist.“
    „Vielleicht hat es der Junge aber längst satt, oben zu sein“, warf der Professor ein, „und will wieder runter.“
    „Das ist natürlich denkbar“, gab der Brasilianer zu. „Und wie würde sich das dann etwa abspielen?“ fragte er.
    Es lag jetzt schon leichter Zigarettendunst im Zimmer. „Herr Peter Schimmelpfennig spaziert ins Hotel Excelsior und sagt: ,Guten Tag, da bin ich.’ Die Reporter, die dort immer noch warten, fotografieren ihn und ziehen ihm alles, was sie wissen wollen, aus der Nase. Anschließend gibt es in den Zeitungen noch einmal ein nettes, kleines Feuerwerk. Aber das ist auch alles. Damit ist dann der ganze Traum vorbei. Die Fremdenpolizei kreuzt auf. Das deutsche Konsulat schaltet sich ein, und dann wird der Held per Schiff oder Flugzeug nach Hamburg

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