Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
sagte Rodrigo Sola, „aber er darf bis dahin mit keinem anderen Mensch in Kontakt kommen.“ Man verabredete sich für den nächsten Vormittag um elf Uhr. Dann würden Jimmy und Sergio sagen können, wie sich Peter Schimmelpfennig entschieden hätte.
    „Und wo wollt ihr mir das sagen?“ fragte Rodrigo Sola. „Am einfachsten wieder hier“, schlug Jimmy vor.
    „Und Sie versuchen jetzt nicht, hinter uns herzuschnüffeln?“ wollte Sergio wissen.
    „Das ist nicht nötig.“ Rodrigo lächelte. „Ich bin nicht ganz ohne Sicherheit. Was würde zum Beispiel die Hoteldirektion sagen, wenn ich ihr erzähle, welche Rolle du bei der Geschichte spielst? Ich fürchte, du liegst dann bald auf der Straße.“
    „Morgen um elf Uhr“, sagte Jimmy kurz, „wir gehen jetzt ein wenig spazieren, und Sie bleiben hier sitzen. In etwa zehn Minuten rufe ich von unterwegs hier an, und dann kommen Sie ans Telefon, nur um mir zu sagen, daß Sie wirklich dageblieben und nicht hinter uns herspaziert sind.“
    Die beiden Jungen kletterten von ihren Barhockern. Jimmy
    ließ sich noch die Telefonnummer des Lokals geben, und dann zogen sie los.
    Zur Sicherheit wechselten sie dann an einer Kreuzung noch die Richtung, und Sergio führte ihn durch einen Gebäudekomplex, in dem es mehrere Höfe und Ausgänge gab. Hier hätten die beiden Jungen bestimmt bemerkt, wenn ihnen jemand gefolgt wäre.

Herr Sola erblindet vorübergehend

    Auf die Minute pünktlich kamen Jimmy und Sergio am nächsten Tag durch die Tür mit dem Perlkettenvorhang. Rodrigo Sola saß auf demselben Barhocker wie gestern. In demselben gelben Hemd und derselben weißen Leinenhose wie gestern.
    Man sprach wieder Englisch oder Brasileiro.
    „Genau elf Uhr, Gentlemen“, sagte Herr Sola, „mein Kompliment!“
    „Haben Sie Ihren Straßenkreuzer irgendwo?“ fragte Jimmy.
    „Er parkt um die Ecke.“
    „Dann sollten wir uns nicht länger aufhalten.“
    Sie fuhren zuerst über die Rua Santa Clara. „Jetzt links!“ Sergio saß auf dem Vordersitz. Jimmy blickte nach rückwärts und versuchte festzustellen, ob irgendein bestimmter Wagen in der Nähe blieb.
    „Wieder links!“ kommandierte Sergio.
    Alle folgenden Wagen fuhren weiter geradeaus. Nur ein Gemüselastwagen bog ebenfalls nach links ein.
    „Da hinüber auf den Parkplatz“, sagte der kaffeebraune Hotelboy.
    Bevor sie ausstiegen, holte Jimmy zwei schwarze Augenklappen aus der Tasche. „Wenn Sie gestatten?“
    „Muß das sein?“ fragte Rodrigo Sola. Aber er grinste dabei.
    „Wir hätten es ganz gerne“, meinte Jimmy.
    Die beiden Jungen banden dem Brasilianer eine Klappe über jedes Auge, und dann setzten sie ihm seine Sonnenbrille auf.
    „So sieht es ganz harmlos aus“, versicherte Sergio, „und fällt überhaupt nicht auf.“
    Die Jungen nahmen den Brasilianer in die Mitte und trabten mit ihm los. Bevor sie den Parkplatz verließen, führten sie ihn allerdings ein paarmal im Kreis herum und nach verschiedenen Richtungen.
    „ And now, my dear friend, nachdem wir wirklich nicht mehr wissen, wo Osten und wo Westen ist, wollen wir losmarschieren“, erklärte Jimmy.
    Bestimmt bedauerten manche Passanten den Blinden und fanden es rührend, wie sich die beiden Jungen um ihn kümmerten. Nach etwa zehn Minuten ging es in ein Haus und über Treppen.
    „Vierter Stock“, stellte Rodrigo Sola lächelnd fest, „also sämtliche vierten Stockwerke in Rio sind verdächtig.“
    „Davon gibt es genau fünftausendzweihundertundachtundsechzig“, bemerkte Jimmy trocken.
    Sergio klopfte an die Tür. Dreimal kurz und zweimal länger. Hinter der Tür blieb es ruhig.
    Da sagte Jimmy: „Gelsenkirchen.“ Das war das abgesprochene Losungswort.
    Aber von drinnen kam immer noch keine Antwort.
    Jetzt kam die dritte und letzte Kontrolle. Jimmy hatte vor dem Weggehen ein Stück Pappe in der Mitte zerbrochen. Die eine Hälfte war bei Peter geblieben, die andere hatte er für sich behalten. Er holte jetzt sein Stück aus der Tasche und schob es unter der Tür durch ins Zimmer.
    Kurz darauf drehte sich der Schlüssel im Schloß, und die Tür wurde geöffnet.
    „Morning, Mister Sola“, sagte der Professor. Er saß gemütlich auf dem Bett mit dem Eisengestell.
    „Ich freue mich, Sie wiederzusehen“, fügte Peter Schimmelpfennig hinzu. Er hatte noch die Türklinke in der Hand und lächelte wie der Besitzer eines Frisörgeschäfts, wenn ein Kunde zum Haareschneiden kommt.
    „Sie können jetzt die Brille und das übrige wieder abnehmen“,

Weitere Kostenlose Bücher