Der blinde Passagier
Hotelboys. Sie hatten den Vorhang zurückgezogen und blickten an die Hauswand oder über die Dächer hinweg zum Meer.
„Was für einen Tag haben wir eigentlich heute?“ fragte der Professor.
„Ich glaube, Donnerstag“, meinte Peter Schimmelpfennig, „ich habe so ein Gefühl von Donnerstag.“
„Das ist eine verdammt schwere Entscheidung“, überlegte der Professor. „Ich stelle mir natürlich vor, Jimmy wäre in deiner Lage, und als Vater wollte ich keinesfalls, daß du irgendein Risiko eingehst.“
„Sie würden also abraten?“
„Ja, ich glaube, das würde ich.“
„Was halten Sie von diesem Herrn Sola?“ fragte Peter Schimmelpfennig.
„Ein Windhund“, sagte der Professor lächelnd, „aber bestimmt kein schlechter Mensch.“
Sie blickten noch eine Weile zum Fenster hinaus, und dann fuhr Mister Miller ins Excelsior zurück. Peter Schimmelpfennig hatte ihn gebeten, seine Briefe zu besorgen und mit Dr. Liesegang vom abendblatt zu telefonieren. „Natürlich als R-Gespräch“, erinnerte Peter Schimmelpfennig, „dann bezahlt es die Hamburger Zeitung.“
„Hoffentlich“, meinte Mister Miller. Er stand schon halb im Hausflur. „Universitätsprofessoren können nämlich nicht einfach nur so um den Globus herumtelefonieren. Dazu verdienen sie zuwenig.“
Eine irrsinnig wichtige Entscheidung
Der Schlüssel steckte im Schloß. Ob man wohl von draußen trotzdem ins Zimmer sehen konnte? Jedenfalls war hinter der Tür jedes Geräusch zu hören.
Peter Schimmelpfennig rührte sich nicht und wagte auch kaum zu atmen.
Jetzt klopfte es wieder. Lauter und länger. Und dieses Mal sagte hinterher eine Stimme: „Policia! Abram a porta!“ Drei Sekunden später wiederholte sie: „Police! Open the door!“
Durch den Spalt unter der Tür waren die Schatten von Füßen zu sehen. Im Augenblick bewegten sie sich nicht. Vielleicht verschwanden sie wieder, wenn aus dem Zimmer keine Antwort kam?
Peter Schimmelpfennig hatte auf Sergios Bett gelegen, als vor ein paar Minuten die Schritte von der Treppe her immer näher gekommen waren. Seitdem hatte er sich nicht mehr bewegt. Eine ganze Weile war jetzt nur das entfernte Hupen von Autos zu hören und aus dem Hof das Kläffen eines Hundes.
Und dann sah Peter Schimmelpfennig, wie sich die Schatten unter der Tür ein wenig bewegten. Beinahe gleichzeitig hörte er, wie sich draußen jemand am Schloß zu schaffen machte und die Türklinke heruntergedrückt wurde.
Peter Schimmelpfennig richtete sich vorsichtig auf. Jetzt würde bald irgend jemand das Schloß aufbrechen oder sich mit der Schulter gegen die Tür werfen. Es war sinnlos, sich noch länger zu verstecken. Alles wurde dadurch nur noch schlimmer. Er dachte einen kurzen Augenblick noch an Jimmy und den Professor. Dann stand er auf, ging die paar Schritte zur Tür und öffnete sie.
„Falls ich dich erschreckt habe, bitte ich um Entschuldigung“, sagte Rodrigo Sola. Er nahm seine Zigarette aus dem Mund und kam in das Zimmer. „Ich habe dich ja gewarnt. Man gibt einem Cachorrinho einen Fußtritt, aber er kommt trotzdem wieder zurück. Du erinnerst dich?“
„Ja, ich erinnere mich.“
„Du gestattest?“ fragte der junge Brasilianer. Er wartete nicht auf Antwort, schloß die Tür hinter sich zu und steckte den Schlüssel in seine Tasche. „Nicht sehr erfreut, was?“
„Immerhin besser als die Polizei“, sagte Peter Schimmelpfennig. „Was wollen Sie?“
„Eine ganze Menge“, erwiderte der Brasilianer. Er wanderte durch das Zimmer und blieb schließlich am Fenster stehen. „Vielleicht willst du zuerst erfahren, wie ich dieses Haus und dieses Zimmer wiedergefunden habe, obgleich deine Freunde doch so vorsichtig gewesen sind?“
„Das stimmt“, gab Peter Schimmelpfennig zu, „ich wüßte es ganz gerne.“
„Dieses Versteck konnte natürlich nur der Page aus dem Hotel besorgt haben. Er ist der einzige von euch, der sich in Rio auskennt.“ Rodrigo Sola tippte seine Zigarettenasche auf den kleinen Balkon. „Ich habe deshalb auch vermutet, daß es sich um sein eigenes Zimmer handelt. Aber ich war nicht ganz sicher. Es hätte ja auch die Wohnung eines Freundes sein können oder sonstwas anderes. Da fragte ich so zwischendurch mal, ob ich irgend etwas zum Trinken haben könnte.“
„Es gab aber nichts“, sagte Peter.
„Und wer wußte das?“ lächelte Herr Sola. „Jimmy jedenfalls wußte es nicht. Er mußte den Hotelpagen fragen. Und der Junge aus dem Excelsior wußte Bescheid. Ohne sich
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