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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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aufkreuzen?“
    „Allerdings“, gab Peter Schimmelpfennig zu.
    „Dann mußt du dich entscheiden. Und zwar sofort.“ Der Brasilianer schloß die Tür wieder auf und horchte ins Treppenhaus hinunter. Als er zurückkam, sagte er nur: „Jede Minute kann jetzt zwei Minuten zu spät sein.“
    Als sie eine Viertelstunde danach auf die Straße kamen, winkte Herr Sola einem Taxi. Sein zerbeulter Straßenkreuzer wäre ihm jetzt zu auffallend gewesen. Während der ganzen Fahrt sprach er mit dem Chauffeur, um ihn von Peter Schimmelpfennig abzulenken. Der saß stumm wie ein Fisch neben seiner Segeltuchtasche und dem Wintermantel, der auf dem Sitz lag.
    Es ging in die Rua do Matoso und dort in die kleine Parterrewohnung von Herrn Rodrigo Sola.
    „Vorerst hast du nur dein Quartier vertauscht“, meinte der Brasilianer. Er knipste das Radio an und zog die Vorhänge ein wenig zu. „Ob du dort abwartest oder hier bei mir, ist kein großer Unterschied.“ Er zog eine Schublade auf: „Hier ist übrigens ein Paß und hier die Impfbescheinigung.“ Beide waren auf den Namen Peter Schimmelpfennig ausgestellt.
    „Wo haben Sie das Foto her?“ fragte Peter Schimmelpfennig verblüfft. „Und wie ist das überhaupt möglich?“
    „Fotos gibt es von dir auf der Agentur mehr als genug“, grinste der Brasilianer. „Und möglich ist in Brasilien fast alles. Manchmal braucht man nur ein wenig Geld dazu. Mach es dir bequem! Wenn du was trinken willst, geh zum Eisschrank! Du kannst dir immer noch alles in Ruhe überlegen.“
    Daraufhin führte Rodrigo Sola ein paar Telefongespräche. Da er nur Brasileiro sprach, verstand Peter Schimmelpfennig leider kein Wort. Aber er beobachtete den Brasilianer, wie er dastand, wie er sprach und was in seinem Gesicht vorging. Konnte man zu ihm Vertrauen haben? „Ein Windhund, aber kein schlechter Mensch“, hatte der Professor gesagt.
    „Falls du mitkommst“, sagte der Brasilianer einmal, „müssen wir damit rechnen, daß du schon gesucht wirst. Bestimmt hat Hamburg inzwischen in Rio das deutsche Konsulat alarmiert. Und das Konsulat gab die Meldung an die Polizei. Vielleicht ist es jetzt schon ziemlich schwierig, am Flugplatz durch die Kontrolle zu kommen.“
    Sie versuchten, Schach zu spielen. Allmählich kroch dabei die Dämmerung ins Zimmer, und auch vor den Fenstern wurde der Himmel immer dunkler.
    „Sie werden sich Sorgen machen“, sagte Peter Schimmelpfennig und dachte an die Millers und den Hotelpagen Sergio. „Sie kamen zurück, und das Zimmer war leer. Und jetzt sind sie vielleicht...“
    „Aber vielleicht sind sie jetzt auch schon ein bißchen froh, weil du ihnen ihre Verantwortung abgenommen hast“, meinte Herr Sola, und dann klingelte das Telefon wieder einmal. Als das Gespräch zu Ende war, zündete er sich eine Zigarette an und kam zu seinem Sessel zurück. „Hast du schon einmal etwas von Francisco Sampaio gehört?“
    „Keine blasse Ahnung“, gab Peter Schimmelpfennig zu. „Das war ein Revolutionär, so etwas wie ein Volksheld“, erzählte der junge Brasilianer. „Er kam vom Süden her aus Araguari. wollte die Regierung stürzen und sich dann zum König ausrufen lassen. Alles verlief planmäßig. Das Volk jubelte ihm zu und liebte ihn. Sein Pech war nur. daß die Regierung mehr Kanonen und mehr Soldaten hatte. Man nahm ihn gefangen, und jedermann glaubte, daß ihn die Regierung zumindest auf Lebenszeit in ein Gefängnis werfen würde. Aber sie bestrafte ihn anders. Er mußte in Hemd, Unterhose und Pantoffeln durch alle Städte gehen, die er auf seinem Siegeszug durchritten hatte. Jetzt jubelte natürlich niemand mehr. Er wurde nur von allen Leuten ausgelacht.“ Herr Sola drehte das Radio ab, wandte sich um und lächelte.
    „Man hat mir vorhin am Telefon gesagt, daß in genau zwei Stunden eine Maschine fliegt, die...“ — er drückte seine Zigarette aus-“...die für unseren Zweck besonders geeignet wäre. Sie wird nicht allzu genau kontrolliert werden.“
    „Ich wollte keine Regierung stürzen, und König werden wollte ich auch nicht“, gab Peter Schimmelpfennig zu bedenken. „Ihre Geschichte schreckt mich nicht. Aber was man einmal angefangen hat, soll man auch weitermachen.“
    „Du kommst also mit?“ fragte der Brasilianer, und er war plötzlich ganz aufgeregt.
    „Wenn ich mir vorstelle, daß man mich zurückschickt wie bestellt und nicht abgeholt“, meinte Peter Schimmelpfennig, „kriege ich leider Bauchschmerzen.“
    Rodrigo Sola lachte und vollführte

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