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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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einen regelrechten Luftsprung. Dann machte er den Schrank auf und holte einen fix und fertig gepackten Koffer heraus.
    „So sicher waren Sie?“ grinste Peter Schimmelpfennig.
    „Ziemlich sicher, wie du siehst.“
    Der Brasilianer drehte in seiner kleinen Parterrewohnung die Wasserhähne zu und stellte das Gas ab.
    Währenddessen schrieb Peter Schimmelpfennig einen ausführlichen Brief an Jimmy und Mister Miller. Er berichtete darin, was inzwischen passiert war. „Aber von alledem darf natürlich niemand etwas erfahren“, hieß es am Ende des Briefes. „Vielleicht wird in den Zeitungen stehen, daß man mich gekidnappt hat oder daß ich ganz einfach verlorengegangen bin. Jedenfalls wißt Ihr dann Bescheid, daß das nicht wahr ist und daß es mir gutgeht. Noch einmal herzlichen Dank für alles; ich lasse wieder von mir hören. Herzlichen Gruß auch an Sergio. Ein wenig in Eile, Peter Schimmelpfennig.“
    Als sie aus der kleinen Etagenwohnung gingen, verschloß Herr Sola zweimal die Tür. Auf der Straße rief er ein Taxi.
    Ziemlich dicht beim Hotel Excelsior ließ der Brasilianer halten. Er hatte versprechen müssen, den Brief für die Millers beim Portier abzugeben.
    „Setz dich solange in die Ecke und in den Schatten“, schlug Rodrigo Sola vor. Und dann rief er dem Fahrer noch ein paar brasilianische Worte zu.
    Da sich Peter Schimmelpfennig so weit wie möglich in den Wagen zurückgesetzt hatte, konnte er nicht sehen, daß sich Herr Sola aus dem Gepäckraum den Hamburger Wintermantel geben ließ. Die Taschen waren leer. Nur in der Innenseite steckte noch der Flugschein der Lufthansa. Ausgestellt für einen Herrn Peter Schimmelpfennig über die Strecke Hamburg-Frankfurt. Das trifft sich ganz ausgezeichnet, dachte der Brasilianer und wanderte in das Hotel. Das Risiko, daß er vielleicht von jemandem gesehen oder erkannt würde, mußte er eben eingehen.
    Die Hotelhalle war voll von Menschen.
    Herr Sola schlängelte sich durch eine Gruppe von Amerikanerinnen, die mit Gläsern herumstanden und wie Gänse schnatterten. Dicht bei der Bar waren zwei Sessel nicht besetzt. Auf einen dieser Sessel legte er Peter Schimmelpfennigs Wintermantel, und dann verschwand er wieder. Den Brief an die Millers behielt Herr Sola in seiner Tasche.
    Als sie vor dem niedrigen Flugplatzgebäude aus dem Taxi stiegen, kam beinahe gleichzeitig ein dunkelgrauer geschlossener Jaguar angefahren und stoppte kurz. Peter Schimmelpfennig glaubte für einen Augenblick, hinter den Scheiben Senhor Tavares von der Agentur zu erkennen. Aber der dunkelgraue Wagen fuhr weiter, und Peter war nicht sicher, ob er sich nicht getäuscht hatte.

Ein Wintermantel wird Filmstar

    Die Dakota schraubte sich an ihren vier Propellermotoren durch Nacht und Regen. Die letzten Lichter von Rio waren schon vor einer guten Viertelstunde von dunklen und schweren Wolken verdeckt worden.
    Captain Nelson saß in seinem Cockpit mit aufgekrempelten Hemdsärmeln und wie hinter der Windschutzscheibe und dem Steuerrad eines riesigen Lastwagens. Sein schwarzes Haar wuchs ihm wie Gras aus Kopf und Unterarmen. Er trimmte gerade die Maschine und gab dem dritten Motor etwas mehr Gas. „Go on, baby“, knarrte dabei seine Stimme wie eine Tür, die lange nicht geölt worden ist.
    „Wir sollen einfach nur ,Neco’ zu ihm sagen“, hatte Rodrigo Sola übersetzt, als sich der Pilot kurz vor dem Start vorgestellt hatte. Ein wenig später hatte Herr Sola noch hinzugefügt: „Er ist Argentinier und flog schon mit siebzehn als Militärflieger. Bis vor zwei Jahren war er noch Chefpilot bei einer piekfeinen amerikanischen Fluglinie. Aber da muß dann irgend etwas passiert sein. Jedenfalls war er für lange Zeit plötzlich verschwunden. Seit er wieder aufgetaucht ist, fliegt er für eine Chartergesellschaft, die nicht so ganz durchsichtig ist und deren Flugzeuge nicht gerade der letzte Schrei sind.“
    Und der „letzte Schrei“ war die Dakota, die Captain Nelson gerade einer Gewitterfront entgegensteuerte, wirklich nicht. Sie hatte bestimmt schon ein paar Millionen Flugkilometer auf dem Buckel und wirkte im Vergleich mit den heutigen modernen Düsenmaschinen plump wie eine Ente. Um alles, was sich gerade anbot, transportieren zu können, waren aus dem Passagierraum die Sitze herausgenommen. Nur die ersten acht Sessel hatte man stehenlassen.
    In einem von ihnen saß Peter Schimmelpfennig und blickte durch das regennasse Fenster in die Nacht hinaus. Rodrigo Sola, der im Sitz daneben die langen

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