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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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erwiderte der Rothaarige und bediente sich.
    Auch Peter Schimmelpfennig hatte inzwischen schon einen Schluck von dem Whisky genommen. Seitdem hielt er sein Glas ausgestreckt zwischen den Knien, als ob im Augenblick auf der ganzen Welt nichts wichtiger sei als zu verhindern, daß der Whisky in diesem Glas überschwappte.
    Noch etwa eine Viertelstunde dauerte der Flug durch diesen Hexenkessel. Dann kam die letzte starke Bö, hob das Flugzeug noch einmal nach oben und warf es aus dem Zentrum der schwarzen Gewitterwolken hinaus. Die Motoren der Dakota pflügten durch Dunst und Qualm. Aber von Sekunde zu Sekunde erhellte sich die Dunkelheit immer mehr. Die Maschine lag ruhiger in der Luft, und vor den Fenstern hatte es aufgehört zu hageln oder zu regnen. Und von einem Augenblick zum anderen durchbrach die Maschine schließlich den letzten Schleier. Die Nacht war wieder sternenklar, und der Mond schien auf eine friedliche Wolkenlandschaft, die wie ein weißes Gebirge aus Schlagsahne unter dem Flugzeug lag.
    Captain Nelson saß wieder weit zurückgelehnt in seinem Pilotensitz. Er trank seinen letzten Schluck Whisky und stellte das leere Glas neben sich. Dann fing er an. seine Sonnenbrille zu putzen. „Sie ist nicht mehr die Jüngste“, sagte er dabei und meinte wieder einmal seine alte Dakota. „Aber man kann sich auf sie verlassen, wenn es darauf ankommt.“
    „Na“, fragte Rodrigo Sola, „Angst gehabt?“
    „Wenn ich ehrlich sein soll...“ wollte Peter Schimmelpfennig schon zugeben. Aber dann sagte er nur: „Jedenfalls bin ich froh, daß es vorbei ist.“
    Zwei Stunden später fing es an, Tag zu werden. Die Maschine überflog die Grenze Brasiliens und überquerte ein Stück Venezuela. Wieder eine knappe Stunde später bekam der Kopilot Ivan seine erste Verbindung im Funksprechverkehr, und bald war der Atlantische Ozean erreicht.
    „Ladies and gentlemen“, gab jetzt Captain Nelson bekannt und sprach dabei in seine rechte Hand wie eine Stewardeß in ihr Mikrophon, wenn sie die Passagiere über Bordlautsprecher informieren will. „In wenigen Augenblicken werden wir den piarco international airport von Trinidad anfliegen. Die Hauptstadt der Insel heißt Port of Spain, und es erwartet Sie eine Außentemperatur von 35 Grad.“
    Neco lachte und fuhr Klappen und Fahrwerk aus.
    „Also Trinidad“, stellte Peter Schimmelpfennig seelenruhig fest. Es war ja nicht mehr ganz neu für ihn, daß er in einem Flugzeug saß, ohne zu wissen, wohin es eigentlich flog.
    „Südlichste Insel der Kleinen Antillen, genannt auch Karibische Inseln. Entdeckt von Kolumbus 1498.“ Rodrigo Sola schnarrte es herunter wie das Einmaleins. „Früher englisch, aber seit 1962 selbständig und Mitglied der Union der Westindischen Inseln.“ Rodrigo hatte sich immer tiefer in seinen Sessel sinken lassen. Er zeigte seine weißen Zähne und blickte zu Peter Schimmelpfennig hinauf wie ein kleiner Junge, dem es gelungen ist, seinen Klassenlehrer in Staunen zu versetzen.
    Die Insel lag grün unter den Tragflächen. Es war das saftige und fette Grün eines Urwalds. Am Strand gab es weiße Sandflächen zu sehen und ganze Wälder von Palmen.
    Nach der Landung kamen ein paar dunkelhäutige Beamte in blauen Uniformen und mit kurzen Hosen über das Flugfeld. Sie sprachen englisch und begrüßten Captain Nelson wie einen ihrer besten Freunde, mit dem sie mindestens zweimal in der Woche Skat spielten.
    „Hallo, Neco!“ grüßte der Chef der Gruppe, ein dicker Negeroffizier. Von seinem rechten Handgelenk baumelte an einer Lederschleife einer jener kurzen Stöcke, wie man sie von englischen Kolonialoffizieren kennt.
    Eine ganze Weile erzählte Captain Nelson jetzt von seinem Gewitterflug. Dabei ging er mit den Beamten um die Dakota herum und beguckte sie, als ob sie schon im Museum stände. „Es ist noch alles dran“, stellte er schließlich zufrieden fest. „Und das ist meine heutige Ladung“, meinte er anschließend mit einer Handbewegung zur Gangway.
    Inzwischen hatte man die Rolltreppe an die Tür zum Passagierraum geschoben, und Rodrigo Sola kletterte zusammen mit Peter Schimmelpfennig und dem rothaarigen Fotografen Alain gerade ins Freie. Peter hatte plötzlich eine große Sonnenbrille auf der Nase.
    „Morning, gentlemen“, grüßte der dicke Negeroffizier. „Morning, Sir“, antworteten die drei Passagiere beinahe im Chor und sehr höflich. Rodrigo meinte allerdings noch: „Das ist ja eine Affenhitze hier.“
    Die Pässe und das wenige

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