Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
drei schlaksige Neger, die jetzt vor der Kapelle standen. Sie spielten auf einer Art Mandoline, sangen dazu und hatten weiße Strohhüte schief in der Stirn.
    Zahlreiche amerikanische Touristen saßen an den Tischen. Viele von ihnen steckten in Bahamajacken mit großen Karos. Sie sprachen ziemlich laut und lachten häufig. Zwischendurch schlugen sie einander immer wieder auf die Schultern wie Schuljungen. Offensichtlich waren sie ständig darauf aus, sich gegenseitig zu zeigen, wie gesund sie waren und was für eine fabelhafte Laune sie hatten.
    Nach den drei Sängern mit ihren weißen Strohhüten betätigte sich ein baumlanger Neger als Medizinmann und Feuerschlucker. Die Flammen schlugen aus seinem Mund wie aus einem Hochofen. Anschließend tanzten und stampften zwei junge Burschen mit nackten Füßen auf Glasscherben. Das machte ihnen sichtbar Vergnügen. Sie konnten gar nicht genug bekommen. Schließlich drückten sie auch noch ihre nackten Rücken in das Glas, und einer von ihnen nahm sich sogar eine Handvoll Scherben in den Mund und verspeiste sie. Dabei verdrehte er seine großen weißen Augen, als kaute er an einem vorzüglichen Filetsteak.
    Und dann kam eine Gruppe von Limbo-Tänzern. Sie spannten ein Seil und tanzten unter ihm hindurch, ohne es zu berühren. Das Seil wanderte immer tiefer. Als es nur noch knappe zwanzig Zentimeter über dem Boden war, wurde es angezündet, so daß die halbnackten Tänzer vom Feuer bedroht waren, wenn sie das Seil berührten.
    Herr Sola bestellte noch eine Flasche Wein und für Captain Nelson einen zweistöckigen Whisky.
    „Und du?“ fragte er Peter Schimmelpfennig.
    „BABALU-Limonade“, schlug der rothaarige Alain vor und verschluckte sich beinahe vor Lachen.
    Später schwenkte Captain Nelson mit einer Amerikanerin aus Missouri das Tanzbein. Sein langer Kopilot hatte ein Mädchen aus der Calypsogruppe erwischt.
    „Ich werde nie begreifen, daß jemand aus Vergnügen tanzt“, stöhnte Alain. „Das ist doch harte Arbeit. Seht euch an, wie sie schwitzen!“ Er benutzte die Speisekarte als Fächer und sank immer tiefer in seinen Stuhl.
    In diesem Augenblick flammte ein Blitzlicht auf. Peter Schimmelpfennig blinzelte erstaunt durch die Gläser seiner Sonnenbrille, und Rodrigo sprang auf. Nur Alain rührte sich überhaupt nicht. Und es stellte sich auch gleich heraus, daß die Sache harmlos war. Das Blitzlicht war von einem Hotelfotografen ausgelöst worden, der von Tisch zu Tisch ging. Wer von den Gästen ein Foto zur Erinnerung an diesen Abend haben wollte, konnte es bei ihm bestellen und schon am nächsten Morgen beim Portier in Empfang nehmen.
    „Oui, c’est vrai“, grinste der rothaarige Alain, „die Welt ist voller Gefahren.“
    Auf der Tanzfläche hüpfte Captain Nelson mit seiner Amerikanerin vergnügt von einem Bein aufs andere. Sein Kopilot dagegen bewegte sich nur langsam und eigentlich auf der Stelle. Das dunkelbraune Calypsomädchen hatte ihren Kopf an seine Brust gelegt und himmelte ihn an.
    Inzwischen hatte Peter Schimmelpfennig bekanntgegeben, daß er doch ziemlich müde sei. Er war jetzt zusammen mit Herrn Sola bereits auf dem Weg in die Hotelhalle. Sie ließen sich ihre Zimmerschlüssel geben und stiegen in den Lift.
    „Yes, Mister“, flötete der Fahrstuhlboy mit einer Stimme wie ein Mädchen, als ihm Rodrigo das Stockwerk genannt hatte. Er drückte auf einen Knopf und wollte sich gerade wieder umdrehen. Da fiel sein Blick auf den Jungen, der ihm gegenüber mit einer großen Sonnenbrille an der Wand lehnte, und er blieb stehen, wie er gerade stand. Eine knappe Sekunde lang sah es so aus, als wollte er etwas sagen. Da lächelte Peter Schimmelpfennig ein wenig verlegen. Und daraufhin lächelte der schwarze Fahrstuhlboy genauso verlegen zurück. Im gleichen Augenblick griff Rodrigo Sola nach einer Zeitung. Sie war hinter eine Messinglampe geklemmt, und der Boy vertrieb sich mit ihr vermutlich seine Wartezeiten. Ob es erlaubt sei, diese Zeitung mitzunehmen, fragte Herr Sola höflich und holte bereits eine Handvoll Kleingeld aus der Tasche. Der Kiosk in der Halle sei leider schon geschlossen. Dabei fuhr er dem Negerjungen mit der Hand durch das schwarze Kraushaar.
    „It’s yours“, grinste der Boy, und als er das Geld einsteckte, flötete er noch: „Thank you, Mister.“ Beinahe gleichzeitig zog er im vierten Stockwerk die Tür auf. „Have a good night, Mister.“ Er verbeugte sich höflich und verschwand wieder in seinem Lift.
    Die Luft im Zimmer

Weitere Kostenlose Bücher