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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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die er gesehen hatte, an die Szenen, wie rachsüchtige Indianer einen Zug überfielen und unter wildem Kriegsgeheul die hilflosen Fahrgäste beschossen. »Na ja, nicht mehr. Jedenfalls dort, wo ich lebe.«
    »Früher gab es hier auch Banditen. Aber das ist ewig lange her, und meines Wissens hat es seit dem letzten Goblinkrieg keine Überfälle mehr gegeben und ganz gewiß nicht seit den Winterdynastien.« Sie schüttelte den Kopf. »Grimbolde auf den Ebenen von Groß-Eberesche. Wo mögen sie wohl hinwollen? Sehr merkwürdig.«
    Sie machte es sich gerade wieder auf seiner Schulter bequem, und er überlegte, ob er sich trauen sollte, ebenfalls einzuschlafen, als das Lokomotivengeräusch sich zu verändern begann. Zunächst war sich Theo nicht einmal sicher, was das für ein Ton war – die Lokomotive hörte sich ohnehin ganz anders an als ihr irdisches Gegenstück, eher leise schnurrend und brummend als schnaubend und puffend –, doch er beugte sich unwillkürlich vor. Er fühlte die veränderte Fahrt noch vor dem ersten Kreischen der Bremsen.
    »Der Zug hält an.« Was auch die Ursache sein mochte, er war sich ziemlich sicher, daß sie ihm nicht gefallen würde. »Sind wir schon da?«
    »Nicht die Bohne«, erwiderte Apfelgriebs. »Es ist noch mindestens eine Stunde bis Sternenlicht.«
    »Vielleicht sind diese Goblins wegen irgendwas sauer und haben die Gleise gesprengt. Vielleicht hat euer Großer Elfenhäuptling mit gespaltener Zunge zu ihnen gesprochen oder so was.« Der Zug war mittlerweile zum Stillstand gekommen. Viele seiner Mitreisenden waren aufgewacht und redeten untereinander, sichtlich weniger besorgt als er. Er versuchte sich zu beruhigen.
    »Manchmal redest du wirklich eine Fuhre Mist zusammen, Theo. Aber es kann nicht schaden, mal nachzugucken.« Sie hob von seiner Schulter ab und flog auf Knöchelhöhe den Gang hinunter, doch etliche Fahrgäste standen von ihren Sitzen auf, und so wechselte sie rasch in den Luftraum unmittelbar unter der Decke. Theo ließ sich zurücksinken und gab sich alle Mühe, wie ein verschlafener Elf auszusehen, der nach einem Besuch bei völlig normalen Elfenfreunden auf dem Weg zurück nach Hause war. Er konnte nicht erkennen, wo Apfelgriebs hingeflogen war, denn andere Passagiere waren auf dem Rückweg von den Toiletten oder sonstwoher im Gang stehengeblieben, schauten aus den Fenstern und stellten Spekulationen an.
    Er sah sie erst zurückkommen, als sie schon so gut wie da war; sie flog so schnell, daß sie heftig mit den Flügeln wedeln mußte, um nicht auf ihn zu prallen.
    »Es sieht übel aus, Theo«, sagte sie. »Sie haben den Zug angehalten.«
    »Ich weiß, daß sie den Zug angehalten haben! Aber wer sind ›sie‹?«
    »Schutzleute sind soeben zugestiegen. Aber das richtig Üble ist, daß sie einen von diesen Hohlrücken dabeihaben. Er geht mit ihnen durch die Gänge und sieht sich die Leute an. Wetten, daß er uns sucht?«
    »Oh, Sch…eibenkleister!«
    »Halt still, ich klettere dir ins Hemd.«
    »Was?«
    »Wenn es einer von den Kollegen ist, die vorhin am Bahnhof waren, und er bis eben vorn beim Lokführer war, dann sucht er wahrscheinlich nach einem Großen wie dir mit einer Kleinen wie mir. Also mach ich mich lieber dünne. Außerdem bist du mittlerweile anders angezogen. Kann sein, daß er dich nicht erkennt – wir wissen nicht, ob sie dich aus der Nähe gesehen haben. Hinzu kommt, daß diese speziellen Trolle nicht besonders gut sehen.«
    »Willst du damit sagen, ich soll einfach hier sitzenbleiben? Und was soll das heißen, sie sehen nicht besonders gut?«
    »Mit den Augen. Es sind Höhlentrolle. Aber ihr Gehör- und ihr Geruchssinn sind scharf, deshalb darfst du unter keinen Umständen einen Piep sagen – du würdest dich eh bloß in Schwulitäten bringen. Zeig ihnen einfach deine Fahrkarte und stell dich ansonsten taub.«
    »Nein, das ist Irrsinn.« Er schüttelte energisch den Kopf. »Hierbleiben ist der reine Irrsinn. Wir müssen fliehen.«
    »Wie, meinst du etwa, sie hätten niemand am Ende des Zuges postiert? Ich hab die Uniformen gesehen – das sind keine Dorfbüttel oder Landjäger, die sind von der Feldlichen Sonderschutztruppe, und die Jungs sind nicht auf den Kopf gefallen. Halt dich einfach still.« Und mit diesen Worten kraxelte sie von seiner Schulter und über den Kragen in sein Hemd. Gleich darauf fühlte er ihre Hände und Füße, als sie sich mit dem Rücken gegen die Innenseite des gestohlenen Hemdes stemmte und noch ein Stück tiefer

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