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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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weiteres als eine dieser Pannen hinstellen. Mit etwas Glück würden diesmal keine Vorarbeiter oder Aufseher hingerichtet werden.
    Dennoch hatte Findus Hartriegel den Eindruck, daß der Zeitpunkt für seinen geplanten Artikel nicht besonders günstig war, und überhaupt hätte er die Woche als eine der schlimmsten überhaupt verbucht, seit er von Fürst Stechapfels Verwalter mit der Aufsehermarke bedacht worden war, wenn ihm der Vorarbeiter Besengras nicht einen Tag nach dem Störfall vom Blockwart Styrax ausgerichtet hätte, daß der junge Nessel offenbar nicht nur die Nacht überlebt, sondern sich zudem noch hinreichend erholt hatte, um zu fliehen. Zuerst hatte Hartriegel den Verdacht, die Vorarbeiter selbst hätten das Verschwinden bewerkstelligt – Besengras’ Bereitschaft, den Vorfall auf die leichte Schulter zu nehmen, hatte sich während der Überstunden verflüchtigt, die sie alle hatten einlegen müssen –, doch näheres Nachfragen hatte den Aufseher davon überzeugt, daß Besengras und seine Kameraden über Nessels Flucht genauso staunten wie alle anderen.
    Die Schreibarbeit für Flucht eines Arbeitsverpflichteten war viel geringer als für Tod eines Arbeitsverpflichteten, und es kamen auch keine sozial engagierten feinen Damen oder Wohlfahrtsverbände und stellten einem verfängliche Fragen. Statt das ganze Theater mit einem regierungsamtlichen Ermittler mitmachen und sich mit Schuldzuweisungen und Schadenersatzberechnungen herumschlagen zu müssen, bevor er der Familie den »Formbrief Nr. 4 für Trauerfälle« zustellen ließ, konnte er einfach alles an das Ausreißerdezernat des Polizeipräsidenten Fürst Eisenhut weiterreichen und denen das Problem überlassen.
    Es gab gewiß vieles, was für einen fortschrittlichen Führungsstil sprach, sagte sich Hartriegel, als sich die Verhältnisse im Werk langsam wieder normalisierten, aber wenn er das nächste Mal einen Drückeberger am Netz hatte, wollte er den Kerl lieber von Besengras blutig schlagen lassen und seine kostbare Zeit für nützlichere und edlere Bestrebungen verwenden.

 
9
Besucher
     
     
    D raußen war ein schöner Tag. Der Sonnenschein ergoß sich durch die Wipfel der Redwoods auf den Waldboden, doch mit dem Frieden, den Theo hier gerade zu finden begonnen hatte, war es vorbei. Er war in der stillen Bergnacht mehrmals aufgewacht, einmal von dem mittlerweile gewohnten Traum, ein hilfloser Gefangener in seinem eigenen Körper zu sein, ein andermal von einem genauso gräßlichen Traum, in dem er von einem gnadenlosen Ungeheuer, das mit seinem weit aufgerissenen Maul und seinem muskulösen Schwanz an ein riesiges Neunauge erinnerte, über einen schlammigen Meeresboden gejagt wurde. Sein Bettzeug und seine Unterwäsche waren derart schweißnaß gewesen, daß er im ersten Moment die peinliche Befürchtung gehabt hatte, er hätte vor lauter Angst ins Bett gepinkelt.
    Jetzt saß er auf dem verwucherten Vorplatz in dem verwitterten hölzernen Klappstuhl, den er in der Garage seiner Mutter gefunden hatte und der sein einziges Gartenmöbel war, nippte an einer Tasse Kaffee und fühlte sich schutzlos, beinahe verfolgt. Die Morde im Haus seiner Mutter waren ihm unter die Haut gegangen. Er hatte ursprünglich geplant, die Gitarre zu nehmen und den Tag an ein paar Songs zu arbeiten, aber die Lust dazu war ihm vollkommen vergangen. Er mußte irgendwie Abstand gewinnen, unbedingt. Er hatte ohnehin vorgehabt, hinunter ins Tal zu fahren und in der Bücherei ein paar Sachen nachzuschlagen. Das war mit Sicherheit besser, als den ganzen Tag allein hier herumzusitzen und bei jedem Geräusch zusammenzuzucken.
    Er griff sich Brieftasche und Schlüssel, zog seine Lederjacke an und sah nach, ob die Fenster ordentlich verriegelt waren. Als er in der Tür stand, hatte er den Eindruck, daß dicht über dem Waschbecken etwas aufleuchtete, ein klitzekleines Lichtpünktchen. Theo starrte auf die Stelle, doch es war weg. Er ging in die Hütte zurück, um sich zu vergewissern, daß nicht etwa ein defektes Stromkabel Funken sprühte, doch es war alles normal.
    Wird bloß ein Sonnenstrahl gewesen sein, den der Wasserhahn reflektiert hat. So was, wo die Piloten früher meinten, sie hätten ein UFO gesehen. Eine Haloerscheinung oder wie das heißt.
    Er schüttelte den Kopf und stieg auf sein Motorrad. Er mußte ein paarmal treten, bevor die kalte Maschine knatternd ansprang.
    Am Ende der Mariposa Road, kurz bevor er auf die Hauptstraße kam, bemerkte er etwas im Unterholz –

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