Der Blut-Mythos
zielte.
Er selbst hatte alles Wichtige vorgegeben. Sinclair sollte ihm Chronos servieren, erst dann kriegte er die Frau zurück. Als Untote! Mallmann hatte sich nicht an die eigenen Abmachungen gehalten.
Und Sinclair?
Dracula II kannte ihn lange genug, um zu wissen, daß sich dieser Mann an die Regeln hielt, besonders dann, wenn ein anderer Mensch dabei in Gefahr geriet.
Aber er mußte Chronos überzeugen. Und Chronos gehörte ebenfalls zur Gattung der Blutsauger. Er war sogar zu einem mächtigen Mythos geworden, er ging seinen eigenen Weg. Da würde es auch einem Sinclair schwerfallen, ihn davon abzubringen.
Hinzu kam noch etwas. Seine Welt war zwar vorhanden, aber trotzdem zerstört. Keiner der bleichen Diener existierte mehr. Dracula II hatte ihnen die Köpfe abgeschnitten, und genau diese Art des Sterbens hatte er auch mit Chronos vor.
Die Schere trug er bei sich. Versteckt unter seiner Kleidung. Wenn Chronos seinen Kopf verloren hatte, würde Mallmann ihn wie eine Siegestrophäe aufbewahren.
Jetzt sagte ihm sein Instinkt, daß er sich vorsehen mußte. Gehörig aufpassen, sich nicht ablenken lassen. Und er durfte nicht auf Sinclair und Chronos warten.
Mit einer heftigen Bewegung drehte er sich um. Er wirkte wie jemand, der einen Entschluß gefaßt hatte und sich davon auch nicht abbringen lassen würde.
Mit schnellen Schritten ging er auf Marita zu. Er bückte sich und hob sie auf. Er legte sie so auf seine Arme, wie es einst in dem großen Dracula-Film passiert war. Schon bühnenreif und überirdisch bedrohlich.
Nur ging er mit seiner Last nicht durch die schattenhafte Düsternis eines alten Schlosses. Er mußte auf die Straße, in die Hitze, denn er wollte dorthin, wo sich Chronos und Sinclair aufhielten. Etwas trieb ihn an. Sein Instinkt sagte ihm, daß er sich schon zu lange Zeit gelassen hatte, und er wollte auf keinen Fall, daß dieses mörderische Blutspiel ohne ihn ablief.
Er trat die Tür auf. Die Hitze schockte ihn nicht, aber die würde seiner Geliebten nicht guttun. Er stemmte Maritas Kopf so hoch, daß er im Schatten der Kleidung verschwand. Mehr konnte er für sie nicht tun.
Bei seiner ›Nahrungsaufnahme‹ hatte er sich Zeit gelassen. Jetzt aber trieb ihn die Eile an.
Mallmann wußte nicht, in welches Haus sich Sinclair zurückgezogen hatte. Es war zudem nicht wichtig, denn er brauchte einfach nur seinem Instinkt zu folgen.
Er ging quer über die Straße. Seine Schritte waren lang, der Gang federnd. Es gab etwas von der Kraft zurück, die in diesem mächtigen Vampir steckte.
Sein Gang verlangsamte sich, ohne daß es einen äußerlichen Grund gegeben hätte.
Eine Irritation vielleicht. Aber er blieb nicht stehen und ging weiter. Die andere Seite war nach wie vor sein Ziel, und dort mußte er ein bestimmtes Haus aufsuchen.
Er konnte Chronos riechen. Dieser Parfümgeruch wies ihm den Weg, und als Mallmann die andere Straßenseite erreicht hatte, hielt er sich im Schatten der Häuser. Er ging noch schneller und trug nach wie vor seine Beute.
Da war das Haus!
In seinem Kopf spürte er die Stiche.
Es war die Botschaft des anderen Vampirs, des alten Vampirs. Dieser Blut-Mythos schien ihn locken zu wollen.
Dracula II ärgerte sich darüber, daß er für einen Moment durcheinander war. Etwas war mit einer großen Machtfülle auf ihn eingeströmt, so daß er beinahe an den Rand der Furcht geriet.
»Nein!« flüsterte er sich selbst zu. »So nicht. Ich will die Entscheidung. Hier und jetzt.«
Während er die wuchtige Tür des Hauses auftrat, spielte er mit dem Gedanken, John Sinclair seine Beute einfach vor die Füße zu schleudern. Auch wenn Marita noch nicht erwacht war, würde der Geisterjäger mit einem Blick erkennen, was mit ihr geschehen war.
Die Hütte war leer. Oder nicht? Er trat hinein.
Im selben Augenblick noch sah er die beiden Schatten. Sinclair und Chronos.
Dann hörte er das Ticken einer Uhr!
Mallmann wußte Bescheid. Chronos war ihm wieder zuvorgekommen. Er würde sich zurückziehen und…
Der Sog erfaßte auch Mallmann und seine Beute. Er war so stark, daß selbst Dracula II nichts dagegen unternehmen konnte. Der Sog riß ihn in einen wilden Taumel, und Mallmann hörte sich sogar selbst schreien. Dabei wußte er nicht, ob es aus Enttäuschung oder vor Freude war.
Dann verschwand auch für ihn die normale Welt. Seine letzten Gedanken drehten sich um Chronos und Sinclair. Er würde ihnen auf der Spur bleiben, koste es, was es wolle.
Und er wollte
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