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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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darauf, dass Bene nichts bemerkte. Das einfältige Mädchen war eine ständige Gefahr, und da sie eifersüchtig war, würde sie sofort verlangen, ebenfalls in das Geheimnis eingeweiht zu werden.
    Birger nahm Greetje nun nach Möglichkeit bei allen seinen Krankenbesuchen mit, und er bestand darauf, dass sie ihm auch in seiner Praxis half. Greetje wachte darüber, dass er nicht zu schwer arbeitete. Sein Herz war schwach, und es reagierte prompt, wenn er sich überanstrengte. Seine Herzanfälle verliefen so schwer, dass sie mit dem Schlimmsten rechnete. Doch er erholte sich immer wieder.
    »Ich kann nicht sterben, solange meine Töchter dort oben leben«, sagte er einmal. Dabei wusste er, dass er nicht bis ans Ende ihrer Tage für sie sorgen konnte. Umso mehr kam ihm entgegen, dass er nun durch Greetje entlastet wurde und dass sie sich in zunehmendem Maße um Marie und Julia kümmerte.
    Mittlerweile konnte sie Jordan Birger verstehen. Er hütete sein Geheimnis, um Marie und Julia zu schützen, aber auch um Mitwisser vor Schaden zu bewahren. Erfuhr die Öffentlichkeit von den Zwillingen, dann waren sie in |401| Gefahr und darüber hinaus jeder, der von ihnen wusste und geschwiegen hatte.
    Die Wochen vergingen, der Winter brach herein, und Greetje entwickelte ein immer innigeres Verhältnis zu den beiden jungen Frauen, deren Schicksal sie berührte. Die Zwillinge waren erstaunlich heiter, und manchmal mussten sie alle drei herzlich lachen.
    Je mehr Aufgaben Greetje dem Arzt abnahm, desto mehr erholte sich sein Herz. Er nahm zu, sah nicht mehr so dünn und verhärmt aus, und die dunklen Schatten unter seinen Augen verschwanden allmählich. Grund genug für manch anzügliche Bemerkung, zumal Greetje und er sich immer besser verstanden und sie sich bei der Arbeit so gut ergänzten.
    »Wirst du unseren Vater heiraten?«, fragte Julia eines Tages.
    Wie vom Donner gerührt blickte Greetje die junge Frau an. Nachdem sie von Birgers schwerem Schicksal erfahren hatte, war er ihr sympathisch geworden. Sein mürrisches Wesen hatte sich gelegt, er war freundlicher und zugänglicher geworden. Nicht eine Sekunde lang aber war sie auf den Gedanken gekommen, sie könnte ihn heiraten.
    »Wie kommst du darauf?«, stammelte sie.
    »Wir sind nicht blind«, schaltete Maria sich ein. »Ihr seid euch so nahe, und wie ihr miteinander umgeht, das möchte ich fast liebevoll nennen. Ihr sagt nicht mehr Ihr und Euch, sondern du zueinander.«
    »Aber nein«, sträubte sich Greetje. »Das ist ein Irrtum. Ihr dürft so etwas noch nicht einmal denken. Ich helfe eurem Vater, weil er allein mit all den Problemen, die er hat, nicht fertig wird.«
    »Aber es wäre doch schön für uns, wenn du nicht nur unsere Freundin, sondern auch unsere Mutter wärst. Wir haben unsere leibliche Mutter nie kennengelernt.«
    |402| »Bitte, bitte lasst uns nicht mehr davon reden«, bat Greetje, die abwechselnd rot und blass wurde. Sie mochte Jordan Birger, empfand große Sympathien für ihn, aber sie liebte ihn nicht. Sie liebte Hinrik, den sie so lange nicht mehr gesehen hatte und von dem sie nicht einmal wusste, ob er überhaupt noch lebte. Verlegen und grenzenlos verwirrt verließ sie das Zimmer, verriegelte die Tür und stieg die Treppe hinab. Am Fuß der Treppe wäre sie beinahe mit Bene zusammengeprallt, die sie mit argwöhnischen Blicken betrachtete und bösartig fauchte: »Was hast du da oben zu suchen?«
    Greetje war so durcheinander, dass sie nicht zu antworten wusste. Verzweifelt suchte sie nach einer Erklärung, doch wollte ihr nichts einfallen. Schließlich schwindelte sie: »Der Herr hat mich gebeten, ein wenig Ordnung zu schaffen. Und das habe ich getan.«
    Bene eilte die Treppe einige Stufen weit hinauf, bis Greetje nach ihrem Arm griff und sie festhielt.
    »Das würde ich nicht machen, Bene.«
    »Und warum nicht?«, entgegnete das Mädchen patzig.
    »Ich glaube nicht, dass der Arzt einverstanden wäre.«
    »Das geht dich gar nichts an. Hier habe ich schon gearbeitet, als ob ich zur Familie gehörte, während du wer weiß wo warst, als du ... als du ... was weiß ich. Jedenfalls nimmst du dir zu viel heraus. Du bist nicht die Herrin.«
    »Nein, das bin ich nicht«, stimmte Greetje sanft zu. Allmählich fing sie sich. Jetzt wollte sie nur noch verhindern, dass Bene allzu neugierig wurde, nach oben ging und die Tür öffnete.
    »Du kennst das Geheimnis!«, rief Bene anklagend, so als hätte Greetje schwere Schuld auf sich geladen.
    »Das ist richtig«,

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