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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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National Airport gemietet hatte, nachdem sie mit einem Taxi von der Key West Bridge geflüchtet waren. Der Taxifahrer hatte sich zuerst geweigert, seine Tür zwei Männern in Anzügen zu öffnen, die aussahen, als seien sie in eine üble Schlägerei verwickelt gewesen. Dann hatte Delaroche ihm ein dickes Bündel Zwanziger gezeigt, und der Fahrer hatte gesagt, falls sie zum Mond wollten, könne er sie bis zum Morgen hinbringen.
    Delaroche saß auf dem Beifahrersitz und hatte seinen dick verbundenen Fuß aufs Instrumentenbrett hochgelegt. Er rieb sich vorsichtig den Knöchel und machte ein Gesicht, als fühle er sich von ihm im Stich gelassen. Dann zündete er sich nonchalant die nächste Zigarette an. Falls er besorgt oder ängstlich war, ließ er sich nichts davon anmerken. Er öffnete sein Fenster einen Spaltbreit, um den Rauch abziehen zu lassen. Im Wagen stank es plötzlich nach frischer Jauche.
    Nach Sarahs Ermordung hatte Michael jahrelang versucht, sich ein Bild von ihrem Mörder zu machen. Nun sah er, daß er ihn sich größer vorgestellt hatte, als er tatsächlich war. In Wirklichkeit war Delaroche eher klein und kompakt, aber mit den Muskeln eines durchtrainierten Weltergewichtlers. Michael hatte seine Stimme erst einmal gehört - in Cannon Point, in jener Nacht, in der Delaroche versucht hatte, ihn zu ermorden -, aber während er ihm jetzt zuhörte, wurde ihm klar, daß dies ein Mann mit vielen Facetten war. Delaroches Akzent wechselte ständig: mal sprach er mit französischem, dann wieder mit deutschem oder griechischem Akzent. Aber er sprach nie wie ein Russe, so daß Michael überlegte, ob der andere seine Muttersprache überhaupt beherrschte.
    »Die Pistole ist übrigens leer gewesen.«
    Delaroche seufzte schwer, als langweile ihn ein ausnehmend einfallsloses Fernsehprogramm.
    »Alle CIA-Offiziere tragen als Dienstwaffe einen Browning mit fünfzehn Schuß im Magazin«, sagte er. »Nach dem Nachladen haben Sie drei Schüsse durch die Haustür auf mich abgegeben, vier durch die Windschutzscheibe und acht aufs Heck des Saabs.«
    »Warum haben Sie mich nicht einfach von der Brücke stürzen lassen, wenn Sie gewußt haben, daß die Pistole leer war?«
    »Weil ich praktisch keine Chance zur Flucht gehabt hätte, selbst wenn ich Sie erledigt hätte. Ich bin verletzt. Ich habe keine Waffe, kein Fahrzeug und kein Mobiltelefon. Sie sind meine einzige noch verbliebene Waffe gewesen.«
    »Wie zum Teufel meinen Sie das?«
    »Ich habe etwas, das Sie wollen, und Sie haben etwas, das ich will. Sie wollen wissen, wer mir den Auftrag erteilt hat, Sie zu liquidieren, und ich will Schutz vor meinen Feinden, damit ich in Frieden leben kann.«
    »Wieso glauben Sie, daß ich die Absicht habe, mich an diese Vereinbarung zu halten?«
    »Wer auf eigenen Wunsch aus der CIA ausscheidet, beweist damit, daß er Prinzipien hat. Und wer auf Wunsch des Präsidenten wieder zur CIA geht, beweist damit, daß er Ehre besitzt. Ihr Ehrgefühl ist Ihr schwacher Punkt. Wieso haben Sie sich überhaupt für dieses Leben entschieden, Michael? Hat Ihr Vater Sie dazu gedrängt?«
    Aha, dachte Michael, Delaroche hat mich offenbar so genau studiert wie ich ihn.
    »Ich bezweifle, daß ich an Ihrer Stelle ähnlich gehandelt hätte«, sagte Michael. »Ich glaube, ich hätte Sie von der Brücke stürzen lassen und den Anblick Ihrer flußabwärts treibenden Leiche genossen.«
    »Das ist nichts, worauf Sie stolz sein können. Sie sind ein anständiger Mensch, aber auch sehr emotional - und dadurch leicht manipulierbar. Das hat auch der KGB erkannt, als er Sarah Randolph auf Sie angesetzt und mir dann befohlen hat, sie vor Ihren Augen zu ermorden.«
    »Fuck you!« knurrte Michael. Er war versucht, zu halten und Delaroche zu verprügeln. Dann erinnerte er sich an die Schlägerei auf der Brücke und dachte daran, wie mühelos Delaroche ihn beinahe mit bloßen Händen umgebracht hätte.
    »Michael, fahren Sie bitte etwas langsamer, damit Sie uns nicht beide umbringen. Wohin fahren wir überhaupt?«
    »Was ist mit Ihrem Gesicht passiert?« wollte Michael wissen, ohne auf Delaroches Frage einzugehen.
    »Als Sie Interpol auf mich angesetzt und mein Phantombild verbreitet haben, mußte ich mich operieren lassen.«
    »Von wem haben Sie erfahren, daß eine Interpol-Fahndung nach Ihnen läuft?«
    »Eins nach dem anderen, Michael.«
    »Sind Sie von Maurice Leroux operiert worden?«
    »Ja«, sagte Delaroche. »Woher wissen Sie das?«
    »Der britische Geheimdienst hat

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