Der Botschafter
Spinner abgewimmelt hatte, schien tatsächlich echt zu sein!
»Gut, ich hab's. Bitte weiter.«
»Die Ulster Freedom Brigade kämpft für die Erhaltung der protestantischen Lebensart in Nordirland und die Fortsetzung der britischen Herrschaft über die Provinz. Wir werden nicht untätig zusehen, wie die britische Regierung Verrat an ihrer historischen Verpflichtung gegenüber der protestantischen Bevölkerung Nordirlands übt, und niemals zulassen, daß Ulster vom Süden annektiert wird. Die Ulster Freedom Brigade wird ihren bewaffneten Widerstand fortsetzen, bis das sogenannte Karfreitagsabkommen außer Kraft gesetzt wird. Alle, die diesen Verrat an der protestantischen Bevölkerung Nordirlands unterstützen, sollten die se Mitteilung als faire Warnung betrachten.« Der Mann machte eine Pause, dann fragte er:
»Haben Sie alles?«
»Ja, ich denke schon.«
»Gut«, sagte er und legte auf.
Alan Ramsey, der verantwortliche Redakteur von Nine O'Clock News, saß an seinem Schreibtisch, auf dem sich Manuskripte stapelten, und preßte zwei Telefonhörer gleichzeitig an seine Ohren. Ginger marschierte quer durch die Redaktion, baute sich vor ihm auf und wedelte mit den Händen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er sah sie an und sagte:
»Ich habe Belfast an einem Apparat und Dublin am anderen.
Hoffentlich ist Ihre Sache wirklich wichtig.«
»Das ist sie.«
»Ich rufe sofort zurück!« rief er in beide Sprechmuscheln.
Dann sah er wieder Ginger an. »Also los!«
»Gerade hat ein Mann angerufen, um die Verantwortung für die Bombenanschläge zu übernehmen.«
»Wahrscheinlich ein Spinner.«
»Das glaube ich nicht. Die Mitteilung klingt echt.«
»Haben Sie schon mal einen echten Terroristen am Telefon gehabt?«
»Nein, aber ...«
»Wie können Sie sich Ihrer Sache dann so sicher sein?«
»Er hat was an sich gehabt«, sagte Ginger. »Ich weiß nicht, wie ich's ausdrücken soll, Alan, aber er hat mir echt Angst eingejagt.«
Ramsey streckte eine Hand aus, und sie gab ihm den Zettel mit dem Text des Bekenneranrufs. Er warf einen Blick auf ihr hingeschmiertes Stenogramm, runzelte die Stirn und legte ihr den Zettel wieder hin. »Jesus, entziffern Sie mir das, ja?«
Sie las ihm das Statement vor.
»Hat er Dialekt gesprochen?« fragte Ramsey.
Sie nickte.
»Irischen?«
»Nordirischen«, antwortete Ginger. »West Belfast, würde ich sagen.«
»Wie können Sie das beurteilen?«
»Weil ich in Belfast geboren bin. Wir haben bis zu meinem zehnten Lebensjahr dort gewohnt. Hat man diesen Dialekt erst mal im Ohr, vergißt man ihn nicht so leicht.« Er sah auf die große Digitaluhr an der Wand: zehn Minuten bis Sendebeginn.
»Wie lange brauchen Sie, um das abzutippen?«
»Ungefähr fünfzehn Sekunden.«
»Sie haben genau zehn.«
»Okay«, sagte sie und setzte sich an einen Computer. Alan Ramsey zog einen elektronischen Terminplaner aus seiner Jackentasche und gab den Nachnamen eines Studienfreundes aus Cambridge ein, der beim MI5 arbeitete. Er nahm den Hörer ab, tippte die Nummer ein und trommelte mit den Fingern auf der Schreibtischplatte, während er wartete.
»Hallo, Graham, hier ist Alan Ramsey. Hör zu, alter Junge, wir haben eben einen recht interessanten Anruf bekommen, und ich wollte dich um einen Gefallen bitten.«
Ginger legte ihm einen Ausdruck der Mitteilung hin. Ramsey las seinem Freund den Text übers Telefon vor. Dann machte er sich eine Minute lang eifrig Notizen.
»Vielen Dank«, sagte er. »Ruf mich bitte an, wenn ich mich dafür revanchieren kann.«
Ramsey knallte den Hörer auf den Apparat und stand auf.
»Alle mal herhören!« rief er laut, und das Stimmengewirr in der Redaktion verstummte schlagartig. »Eben hat ein Mann in einem offenbar echten Bekenneranruf die Verantwortung für die Attentate in Belfast, Dublin und Heathrow übernommen: im Namen einer neuen Gruppierung, der Ulster Freedom Brigade.
Wir nehmen seine Erklä rung als Aufmacher. Hängt euch ans Telefon und trommelt mir sämtliche Experten für irischen Terrorismus - vor allem für protestantischen Terrorismus - zusammen. Wir haben fünf Minuten, Ladies und Gentlemen.
Wer noch halbwegs krächzen kann, muß uns ein Telefoninterview geben!«
3
PORTADOWN, NORDIRLAND
Der Mann, auf den die Ermittlungen sich konzentrierten, saß in diesem Augenblick in Portadown in seinem Wohnzimmer vor dem Fernseher. Die Bewohner der Wohnsiedlung Brownstown lassen keinen Zweifel daran, wem ihre Loyalität gehört. Über vielen
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