Der Bourne Betrug
gesagt hatten. Die Kleidung, die sie trug â teure Designermode â, war Bestandteil ihrer Tarnung. Darunter juckte ihre Haut wie mit Feuerameisen bedeckt. Abends streifte sie dieses Zeug ab, so rasch sie nur konnte, und würdigte es keines Blickes mehr, bis sie es morgens wieder anzog.
Während diese wirren Gedanken ihr durch den Kopf gingen, rollte sie den Wasserschlauch auf und setzte sich wieder ans Steuer. Karim al-Jamil glitt neben ihr auf den Beifahrersitz. Ohne im Geringsten zu zögern, fuhr sie auf die Massachusetts Avenue hinaus.
»Wohin?«, fragte sie.
»Du solltest in den Dienst zurück«, sagte Karim al-Jamil.
»Du auch«, stellte sie fest. Dann sah sie ernst zu ihm hinüber. »Jamil, als du mich angeworben hast, war ich keine träumerische Idealistin, die Krieg für Chancengleichheit und gegen Ungerechtigkeit führen wollte. Anfangs hast du mich so eingeschätzt, das weià ich recht gut. Ich bezweifle, dass du gemerkt hast, dass ich selbstständig denken kann. Jetzt weiÃt duâs hoffentlich besser.«
»Du hast Zweifel.«
»Jamil, der orthodoxe Islam ist im Prinzip frauenfeindlich. Männer wie du werden in dem Glauben erzogen, Frauen sollen ihr Haar, ihre GliedmaÃen züchtig bedecken. Sie sollen ungebildet bleiben, nicht selbstständig denken ⦠und Allah sei denen gnädig, die sich einbilden, sie könnten ein unabhängiges Leben führen.«
»Ich bin nicht so erzogen.«
»Dafür kannst du dich bei deiner Mutter bedanken, Jamil. Das ist mein Ernst. Nur sie hat dich davor bewahrt, zu glauben, es sei richtig, eine Frau wegen imaginärer Sünden zu steinigen.«
»Die Sünde des Ehebruchs ist nicht imaginär.«
»Für Männer schon.«
Als er schwieg, lachte sie leise. Aber es war ein trauriges Lachen mit einem Unterton von Enttäuschung und Desillusionierung, der aus ihrem Innersten kam. »Uns trennt mehr als nur ein Kontinent, Jamil. Istâs da ein Wunder, dass ich in tausend Ãngsten schwebe, wenn wir getrennt sind?«
Karim al-Jamil betrachtete sie nachdenklich. Aus irgendeinem Grund konnte er ihr nicht böse sein. »Diese Diskussion führen wir nicht zum ersten Mal â¦Â«
»Und bestimmt nicht zum letzten Mal.«
»Trotzdem sagst du, dass du mich liebst.«
»Das tue ich auch.«
»Trotz meiner vermeintlichen Sünden.«
»Nicht Sünden, Jamil. Jeder hat seine blinden Flecke, sogar du.«
»Du bist gefährlich«, sagte er in vollem Ernst.
Anne zuckte mit den Schultern. »Ich bin nicht anders als eure islamischen Frauen â nur erkenne ich die Kraft, die ich in mir habe.«
»Genau das macht dich gefährlich.«
»Nur für den Status quo.«
Danach herrschte kurzes Schweigen. Sie hatte ihm freimütiger die Meinung gesagt, als es sonst jemand gewagt hätte. Aber das war in Ordnung. Anne erzählte ihm nie irgendwelchen Scheià wie die anderen, die ihn umkreisten, um an seinem Einfluss und seiner Macht teilzuhaben. Bei solchen Gelegenheiten wünschte sie sich, seine Gedanken lesen zu können, denn er lieà nie erkennen, was er gerade dachte â nicht einmal durch Mienenspiel oder Körpersprache. Er blieb letztlich geheimnisvoll â und gerade das hatte sie zu ihm hingezogen. Männer waren meistens so durchschaubar. Nicht aber Jamil.
Zuletzt legte sie ihre rechte Hand leicht auf seine Linke. »Merkst du, wie eheähnlich unsere Beziehung ist? Wir gehören in guten wie in schlechten Tagen zusammen. Bedingungslos bis zum Ende.«
Er betrachtete sie einen Augenblick lang. »Fahr nach Ostsüdost«, verlangte er. »Eighth Street, Northeast, zwischen L Street und West Virginia Avenue.«
Â
Fadi hätte Leutnant Kowe am liebsten eine Kugel durch den Kopf gejagt, aber das hätte alle möglichen Komplikationen nach sich gezogen, die er nicht brauchen konnte. Stattdessen begnügte er sich damit, seinen Part voll und ganz zu spielen.
Das bereitete ihm keine Schwierigkeiten; er war ein geborener Schauspieler. Seine Mutter, die sein Talent mit unfehlbarem Mutterinstinkt erkannt hatte, schickte ihn mit sieben Jahren auf die Royal Theatrical Academy.
Als Neunjähriger war er bereits ein guter Schauspieler, was ihm später oft nützte, als er ein Radikaler wurde. Anhänger zu sammeln â Herz und Verstand der Armen, der Unterdrückten, der
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