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Der Bourne Betrug

Der Bourne Betrug

Titel: Der Bourne Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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einheimischer Produktion trug er ein ganz zugeknöpftes weißes Oberhemd ohne Krawatte. Sein Kinn verschwand unter einem Vollbart.

    Er blieb bei einem Straßenhändler stehen und kaufte sich einen semit  – einen Sesamkringel – und einen Becher blassgelben Joghurt. Beides verzehrte er, während er seine Umgebung in sich aufnahm. Straßenmädchen hielten nach Freiern Ausschau, Händler riefen die Preise ihrer Waren aus, Einheimische feilschten ausdauernd, Touristen wurden von cleveren Türken systematisch übers Ohr gehauen. Geschäftsleute telefonierten mit Handys, Jugendliche fotografierten einander mit Handys, und Teenager spielten plärrend laute Musik, die sie gerade auf ihre Handys heruntergeladen hatten. Lachen und Tränen, verliebte Blicke, das heisere Gezanke von Streitenden. Das Brodeln menschlicher Emotionen erhellte die Avenue wie eine Neonreklame, die durch die von Ständen am Straßenrand aufsteigenden würzigen Wolken von gegrilltem Lamm und Dönerkebab leuchtete.
    Nach dieser improvisierten Mahlzeit betrat er das nächste Teppichgeschäft, in dem er einen Gebetsteppich auswählte, um dessen Preis er gutmütig mit dem Ladenbesitzer feilschte. Nach dem abgeschlossenen Handel waren beide zufrieden.
    Â 
    Die Blaue Moschee, zu der Bourne jetzt mit seinem zusammengerollten Gebetsteppich unter dem Arm ging, war von sechs schlanken Minaretten umgeben. Sie verdankten ihre Existenz einem Missverständnis. Sultan Ahmed I. hatte seinem Architekten gesagt, die Moschee solle ein goldenes Minarett bekommen. Auf Türkisch heißt »Gold« altın , aber der Architekt hatte nicht richtig zugehört und baute stattdessen altı  – sechs – Minarette. Trotzdem war Ahmed I. mit dem Ergebnis zufrieden, denn damals hatte kein anderer Sultan eine Moschee mit so vielen Minaretten.
    Wie es einem so prachtvollen Bauwerk anstand, hatte die Blaue Moschee mehrere Eingänge. Die meisten Besucher kamen durchs Nordtor, aber Muslime betraten die Moschee
von Westen. Diesen Eingang benützte auch Bourne. Gleich dahinter machte er halt, zog seine Schuhe aus und steckte sie in einen Plastikbeutel, den ein Junge ihm gab. Er bedeckte seinen Kopf und wusch sich Füße, Gesicht, Hals und Unterarme an einem Steinbrunnen. Dann ging er barfuß in die eigentliche Moschee weiter, rollte seinen Gebetsteppich auf dem Marmorboden aus und kniete darauf nieder.
    Das Innere der Moschee war nach echt byzantinischer Art mit prachtvollen Mosaiken, filigranen Schnitzereien, ausladenden schmiedeeisernen Lampen, gewaltigen Säulen in Blau und Gold und vier Stockwerke hohen Kuppelfenstern überladen. Aber der Gesamteindruck war unbestreitbar ebenso bewegend wie machtvoll.
    Bourne, dessen Stirn auf dem eben gekauften Teppich lag, sagte die Gebete eines muslimischen Gläubigen auf. Er meinte sie völlig ernst, so sehr spürte er die jahrhundertealte Geschichte, mit denen die Steine, der Marmor, die Vergoldungen und der Lapislazuli, aus denen die Moschee erbaut, mit denen sie ausgeschmückt war, getränkt waren. Spiritualität trat in vielerlei Formen auf, trug unterschiedliche Namen, aber sie alle sprachen in einer direkt zu Herzen gehenden uralten Sprache zu den Menschen.
    Nach Beendigung des Gebetes stand er auf und rollte seinen Teppich wieder zusammen. Auch dann blieb er noch einige Zeit in der Moschee und gestattete der hallenden Beinahe-Stille, über ihn hinwegzufluten.
    Das schwache Rascheln von Seide und Baumwolle, das leise Summen gemurmelter Gebete, die Hintergrundgeräusche flüsternder Stimmen: jeder menschliche Laut und jede Bewegung unter der riesigen Kuppel der Moschee trieb wie Zuckerkristalle durch starken Kaffee und veränderte seinen Geschmack auf subtile Art.
    Während Bourne still zu meditieren schien, beobachtete er
in Wirklichkeit heimlich die Gläubigen, die ihre Gebete beendeten. Er sah einen älteren Mann mit grau meliertem Bart, der seinen Gebetsteppich zusammenrollte und langsam zu den in Reih und Glied aufgestellten Schuhen hinüberging. Wie zufällig kam auch Bourne zu den Schuhen zurück, als der andere seine wieder anzog.
    Der ältere Mann, dessen eine Hand verkrüppelt war, musterte Bourne zurückhaltend neugierig. »Ihr seid hier neu, Freund«, sagte er. »Ich habe Euch noch nie gesehen.«
    Â»Ich bin erst vor kurzem angekommen«, bestätigte Bourne mit respektvollem

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