Der Bourne Betrug
»Wie meinen Sie das?«
»Sie haben Sarah ibn Aschaf erschossen.«
»Und Sie sind verrückt.«
»Muta hatâs mir gesagt. Er hatâs mir erzählt . Sie haben Fadis Schwester erschossen, nicht ich. Diese ganze Vendetta hätte sich vermeiden lassen, wenn Sie nur die Wahrheit gesagt hätten.«
»Die Wahrheit?« Der Terrorist spuckte Blut. »In der Wüste gibt es keine sogenannte Wahrheit. Der Sand ist in ständiger Bewegung â wie die Wahrheit auch.«
»Warum haben Sie gelogen?«
Er begann zu husten, spuckte dabei noch heftiger Blut.
»Erzählen Sie mir, weshalb Sie in Bezug auf Sarah ibn Aschafs Tod gelogen haben.«
Abbud ibn Aziz spuckte erneut aus, schien fast am eigenen Blut zu ersticken. Als er sich wieder halbwegs erholt hatte, murmelte er: »Wieso sollte ich Ihnen irgendwas sagen?«
»Mit Ihnen istâs aus, Abbud. Sie sterben. Aber das wissen Sie bereits, nicht wahr? Wenn Sie nach einem Verkehrsunfall sterben, kommen Sie nicht ins Paradies. Aber wenn ich Sie umbringe, sterben Sie einen Märtyrertod, der Ihnen Ruhm und Ehre sichert.«
Der Terrorist wich Bournes Blick aus, als könnte er so seinem Schicksal entgehen. »Ich habe Fadi belogen, weil ich musste. Die Wahrheit hätte ihn vernichtet.«
»Ihre Zeit läuft ab.« Bourne setzte ihm sein Messer an die Kehle. »Und ich bin der Einzige, der Ihnen jetzt helfen kann. In wenigen Augenblicken istâs zu spät. Dann haben Sie Ihre Chance auf eine schahada vertan.«
»Was wissen Sie als Ungläubiger von der schahada ?«
»Ich weiÃ, dass es ohne Dschihad kein Märtyrertum geben kann. Ich weiÃ, dass der Dschihad der alles umfassende Kampf um Wahrheit ist. Ohne die Wahrheit zu bekennen, kannâs keinen Dschihad geben â und erst recht keine schahada für Sie. Ohne meine Hilfe können Sie nicht die Wahrheit bekennen, die Allah ist. Deshalb ist Ihr heiliger Kampf im Namen Allahs â ihre gesamte Existenz â dann wertlos.«
Abbud ibn Aziz spürte plötzlich Tränen, die in seinen Augen brannten. Sein Feind hatte recht. Er brauchte ihn jetzt. Allah stellte ihn vor eine letzte, schreckliche Wahl: die Wahrheit bekennen oder ewiger Verdammnis anheimfallen. In diesem Augenblick begriff er, dass Muta ibn Aziz ihm das Rechte geraten hatte. Die sich ständig bewegenden Sande der Wahrheit hatten ihn unter sich begraben. Hätte er doch nur einmal die Wahrheit gesagt! Um jetzt als Gerechter sterben zu können, um in den Augen Allahs als Märtyrer zu gelten, musste er Fadi verraten.
Er schloss kurz die Augen, fühlte alle Widerstandskraft aus seinem Körper abflieÃen. SchlieÃlich blickte er starr ins Gesicht seines Feindes auf.
»Ich habe Sarah ibn Aschaf erschossen, nicht mein Bruder Muta ibn Aziz. Ich musste sie erschieÃen. Sechs Tage vor ihrem Tod habe ich entdeckt, dass sie eine Liebesaffäre hatte. Ich habe sie beiseite genommen und sie mit meinen Feststellungen konfrontiert. Sie hat sich nicht die Mühe gemacht, etwas zu leugnen. Ich habe ihr erklärt, das Gesetz der Wüste verlange, dass sie sich selbst töte. Sie hat nur gelacht. Ich habe ihr gesagt, ihr Selbstmord erspare ihren Brüdern die traurige
Pflicht, sie töten zu müssen. Sie hat mich angefahren, ich solle verschwinden.«
Abbud ibn Aziz machte eine kurze Pause. Den Schock, dieser Konfrontation nochmals durchleben zu müssen, hatte ihn offensichtlich viel Kraft gekostet. Er erholte sich jedoch wieder. »An jenem Abend hatte sie sich verspätet, war eilig durch die Stadt unterwegs, um sich mit ihrem Geliebten zu treffen. Sie hatte meinen guten Rat in den Wind geschlagen. Stattdessen übte sie weiter Verrat an ihrer Familie. Ich war schockiert, aber nicht überrascht. Ich wusste schon gar nicht mehr, wie oft sie mir vorgeworfen hatte, wir pervertierten den Islam und verdrehten Allahs heilige Worte, um unsere ⦠wie hat sieâs genannt? ⦠ah, richtig, unsere Mordgier zu rechtfertigen. Sie hatte sich von der Wüste, von ihren beduinischen Wurzeln losgesagt. Jetzt konnte sie ihrer Familie nur noch Demütigung und Schande bringen. Ich habe sie erschossen. Darauf bin ich stolz. Es war ein Ehrenmord.«
Bourne, tief betroffen, hatte genug gehört. Ohne ein weiteres Wort schnitt er Abbud ibn Aziz die Kehle durch und glitt aus dem Wagen, als sich ein Blutschwall über den Fahrersitz
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