Der Bourne Betrug
ergoss.
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Als Abbud ibn Aziz entgegen seinem Befehl wegrannte, zog Fadi seine Pistole und zielte damit auf seinen Rücken. Wären in diesem Augenblick nicht wieder Schüsse gefallen, hätte er seinen Stellvertreter bestimmt erschossen. Aus seiner Sicht gab es für Befehlsverweigerung keine Entschuldigung. Befehle waren prompt und widerspruchslos auszuführen. Die Dujja war kein Debattierklub; Untergebenen stand es nicht zu, abweichende Meinungen zu äuÃern.
Als er in Richtung Nachrichtenzentrale rannte, beschäftigte ihn dieser letzte Gedanke und erzeugte Echos, die er nicht hören wollte. Seiner Ansicht nach hatten die Brüder Aziz sich seit
einiger Zeit merkwürdig benommen. Ihre verbalen Auseinandersetzungen waren längst legendär geworden â so sehr, dass jedermann sich an sie gewöhnt hatte und sie nicht einmal mehr kommentierte. In letzter Zeit hatten ihre Auseinandersetzungen jedoch hinter verschlossenen Türen stattgefunden. AnschlieÃend hatte keiner der beiden sich über das Thema äuÃern wollen, aber Fadi war unangenehm aufgefallen, dass ihre zunehmende Feindseligkeit gegeneinander ihre Arbeit zu beeinträchtigen begann. Deshalb hatte er Muta ibn Aziz zu diesem kritischen Zeitpunkt nach Istanbul geschickt. Er wollte die Brüder voneinander trennen, ihnen Gelegenheit geben, ihre Einstellung zueinander zu überdenken. Jetzt war Muta ibn Aziz tot, und Abbud ibn Aziz hatte seinen Befehl verweigert. Grund genug, um beide abzuschreiben.
Er sah das Gemetzel, sobald er auf den Korridor abbog, in dem die Nachrichtenzentrale lag. In ernstem Zorn stakste er zwischen den Leichen hindurch wie ein nervöses Araberpferd. Er untersuchte alle Toten, dann den Raum selbst. Insgesamt waren acht Männer gefallen. Lindros musste weitere Waffen erbeutet haben.
Fadi wollte halblaut vor sich hinfluchend umkehren und in Richtung Rampe weitergehen, als sein Ohrhörer knackte.
»Wir haben die Flüchtenden gesichtet«, meldete einer seiner Männer über Funk.
Sein Körper straffte sich. »Wo?«
»Auf der unteren Ebene«, sagte die Stimme. »Sie sind zu den Labors unterwegs.«
Die Bombe , dachte Fadi.
»Sollen wir sie uns schnappen?«
»Behaltet sie im Blick, aber greift sie unter keinen Umständen an, ist das klar?«
»Verstanden.«
Dieses kurze Gespräch hatte schlagartig alle Rachegedanken
aus seinem Kopf vertrieben. Gelang es Lindros, den Hubschrauber mit dem Atomsprengkörper zu finden, hatte er zuletzt doch noch triumphiert. Nach all dieser Zeit, all den Opfern, all der endlosen Arbeit und dem BlutvergieÃen würde er mit leeren Händen dastehen.
Fadi rannte den Korridor entlang, bog links ab und nahm den nächsten Gang links. Vor ihm gähnte die offene Tür eines Lastenaufzugs. Er war mit zwei, drei groÃen Schritten darin und drückte auf den unteren Knopf. Die Tür schloss sich, und der Aufzug sank summend in die Tiefe.
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Irgendwann auf ihrem Weg durch das Laborlabyrinth der unteren Ebene merkte Lindros, dass sie überwacht wurden. Das beunruhigte ihn natürlich, und es ängstigte ihn auch. Weshalb griffen die Verfolger sie nicht an, wie es die erste Gruppe getan hatte?
Während sie weiterhasteten, sah er, dass Katja weinte. Die Gewalt und die Tode, die sie gesehen hatte, hätten jeden entsetzt  â vor allem eine Zivilistin, für die Gefangenschaft und Brutalität neue Erfahrungen waren. Aber er musste anerkennen, dass sie weiter mit ihm Schritt hielt.
Plötzlich löste sie sich von ihm, war mit einem Sprung durch die nächste offene Tür, beugte sich nach vorn und erbrach sich krampfhaft. Lindros, der sein Sturmgewehr weiter im Hüftanschlag behielt, legte den anderen Arm um Katja, um sie zu stützen. Erst jetzt sah er, in welchen Raum sie zufällig geraten waren: Dies war der Operationssaal, in dem Dr. Andurskij ihm das rechte Auge herausgenommen, in dem er Karim al-Jamil in seinen Doppelgänger verwandelt hatte. Nachdem sein Teufelswerk vollbracht war, hatte Andurskij ihn kommen lassen, um ihm das Ergebnis vorzuführen und dem neuen Martin Lindros Gelegenheit zu geben, sich die Erinnerungen des echten Martin Lindros anzueignen â zumindest so
viele, dass er die CI-Befrager und Jason Bourne täuschen konnte. Bei dieser Gelegenheit hatte Lindros sich einen Code ausgedacht, von dem er hoffte, dass er Jason warnen würde.
Auf den
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