Der Bourne Betrug
Ascheschicht befreit, sodass sie wieder elfenbeinweià glänzten.
»Richtig«, sagte Overton. »Wir versuchen auf dem Dienstweg in Amsterdam feststellen zu lassen, ob Jakob oder Lev Silver eine Zahnbrücke getragen haben. Dann könnten wir eine positive Identifizierung vornehmen.«
»Die Sache ist nur«, sagte Kim, »dass ich mir keineswegs sicher bin, dass dies eine Zahnbrücke ist.«
Overton nahm sie ihr aus der Hand, begutachtete sie unter der hellen Tischlampe. Aber er konnte nichts Ungewöhnliches daran feststellen. »Was könnteâs sonst sein?«
»Ich muss eine Freundin von mir anrufen. Vielleicht kann sieâs uns sagen.«
»Glauben Sie? Was ist sie von Beruf?«
Kim sah ihn an. »Sie ist eine Spionin.«
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Bourne reiste von London nach Addis Abeba, von Addis Abeba nach Dschibuti. Er fand wenig Erholung, schlief noch weniger. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich über Lindrosâ Reiseroute, deren Einzelheiten â soweit sie dem CI bekannt waren â Soraya ihm mitgeteilt hatte, den Kopf zu zerbrechen. Leider waren diese Informationen ziemlich lückenhaft, was keine Ãberraschung war. Lindros hatte versucht, die gefährlichste Terroristenorganisation der Welt aufzuspüren. Meldungen und Zwischenberichte irgendwelcher Art wären äuÃerst schwierig gewesen und hätten seine Sicherheit gefährden können.
Analysierte er nicht Lindrosâ Bewegungen, sah Bourne sich immer wieder die von Anne Held auf Sorayas Handy überspielten Informationen an, die jetzt in seinem PS3 gespeichert waren â vor allem Tim Hytners Versuch, den Code zu knacken, den Typhon an Ceviks Person entdeckt hatte. Inzwischen fragte er sich, ob mit dem Code alles stimmte: War dies ein authentischer, von der Dujja benutzter Code oder eine raffinierte Fälschung, die Typhon finden und entschlüsseln sollte? Ein verwirrendes Labyrinth aus Täuschung und Falschheit hatte sich vor ihm aufgetan. Von nun an war jeder Schritt, den er tat, gefährlich. Eine einzige falsche Annahme konnte ihn wie Treibsand verschlingen.
Bourne erkannte nun, dass erâs mit einem ungewöhnlich intelligenten und willensstarken Gegner zu tun hatte: einem Planer und Anführer, der es mit seinem alten Erzfeind Carlos hätte aufnehmen können.
Er schloss kurz die Augen und glaubte sofort, Maries Bild
vor sich zu sehen. Sie war seine groÃe Stütze gewesen; sie hatte ihm geholfen, die Schrecken der Vergangenheit zu überwinden. Aber Marie war jetzt tot. Ihr Bild verblasste mit jedem Tag, der verging, ein kleines bisschen mehr. Er kämpfte dagegen an, aber seine Identität als Jason Bourne war erbarmungslos: Sie gestattete ihm nicht, sich mit Sentimentalitäten, mit Kummer oder Verzweiflung aufzuhalten. Alle diese Gefühle empfand er, aber sie blieben Schemen: Opfer von Bournes auÃergewöhnlicher Konzentrationsgabe und seinem unaufhörlichen Bedürfnis, tödliche Rätsel zu lösen, die sonst niemand anpacken wollte. Und natürlich verstand er die Ursache seiner einzigartigen Begabung; er hatte sie gekannt, bevor Dr. Sunderland sie prägnant zusammengefasst hatte: Ihn trieb das brennende Bedürfnis an, das Rätsel seiner selbst zu lösen.
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In Dschibuti stand ein CI-Hubschrauber betankt und startklar für ihn bereit. Unter einem düsteren Himmel mit grauschwarzen Wolken rannte Bourne bei böigem, feuchtem Wind über das regennasse Vorfeld und kletterte in die Maschine. Das war am Morgen des dritten Tages seit seiner Abreise aus Washington. Seine GliedmaÃen waren verkrampft, alle Muskeln schmerzhaft angespannt. Er sehnte sich nach Action, aber ihm graute vor dem einstündigen Flug zum Ras Dejen.
Es gab ein Frühstück auf einem Metalltablett, und Bourne machte sich darüber her, als der Hubschrauber abhob. Aber er schmeckte nichts und sah nichts, denn er war in Gedanken woanders. Er dachte zum tausendsten Mal über Fadis Code nach, den er nun als Ganzes betrachtete, weil er mit den von Tim Hytner benutzten Algorithmen nicht weitergekommen war. Hatte Fadi Hytner tatsächlich umgedreht â und Bourne sah keine andere vernünftige Möglichkeit â, hatte es für Hytner keinen Anreiz gegeben, den Code wirklich zu knacken. Deshalb hatte Bourne auch den Code und Hytners Lösungsansatz
verlangt. Konnte er feststellen, dass der junge Mann nur scheinbar an einer
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