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Der Bourne Betrug

Der Bourne Betrug

Titel: Der Bourne Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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würde er nicht glauben, selbst wenn Fadi es behauptete. Dafür kannte er Jason zu gut. Er hatte es schon immer verstanden, aus frisch geschaufelten Gräbern aufzuerstehen. Jason lebte, davon war Lindros überzeugt.
    Aber er fragte sich, ob das überhaupt noch wichtig war. Hatte Jason den Verdacht, Karim al-Jamil gebe sich als Martin Lindros aus? Hatte er sich täuschen lassen, würde er die Befreiungsaktion aufgegeben haben, selbst wenn er den Rettungsversuch am Ras Dejen überlebt hatte? Ein noch schlimmeres Szenario ließ Lindros in kalten Schweiß ausbrechen. Was war, wenn Jason an seiner Stelle Karim al-Jamil gefunden und in die CI-Zentrale mitgenommen hatte? Großer Gott, war das vielleicht von Anfang an Fadis Plan gewesen?
    Sein Körper schwankte und vibrierte, als die Maschine in Turbulenzen durchsackte. Er lehnte sich haltsuchend an das kalte konkave Druckschott des Flugzeugs. Zugleich legte er eine Hand auf den Verband, der eine Hälfte seines Gesichts bedeckte. Darunter befand sich die leere Höhle, in der sein rechtes Auge gesessen hatte. Diese Bewegung war ihm zur Gewohnheit geworden. In seinem Kopf pochten unbeschreibliche Schmerzen, als stünde sein Auge in Flammen – nur gehörte es nicht länger ihm. Sein Auge gehörte jetzt Fadis Bruder Karim al-Jamil ibn Hamid ibn Aschaf al-Wahhib. Anfangs war ihm bei dieser Vorstellung regelmäßig schlecht geworden; er hatte sich würgend übergeben müssen wie ein Drogenabhängiger auf Entzug. Jetzt machte dieser Gedanke ihn einfach nur todunglücklich.
    Die Vergewaltigung seines Körpers, die Entnahme eines Organs, während er noch lebte, war ein Horror, von dem er sich niemals erholen würde. Als er auf dem Silbersee gewesen war und Regenbogenforellen geangelt hatte, hatte er mehrmals
an Selbstmord gedacht, aber diesen Gedanken nie ernsthaft verfolgt. Selbstmord war der Ausweg eines Feiglings.
    Außerdem wollte er in jedem Fall überleben – und wenn es nur wäre, um sich an Fadi und Karim al-Jamil rächen zu können.
    Â 
    Bourne wachte auf, weil er im Schlaf heftig zusammengezuckt war. Er sah sich im Augenblick desorientiert um. Wo war er? Er sah eine Kommode, einen Nachttisch, gegen das Licht zugezogene Vorhänge. Anonyme Möbelstücke, schwer, abgenutzt. Ein Hotelzimmer. Wo?
    Er glitt aus dem Bett, tappte barfuß über den Teppich mit Moirémuster und zog die schweren Vorhänge auf. Das helle Tageslicht traf ihn fast körperlich. Winzige Sonnensicheln, golden auf dunkelgrauem Wasser, ließen ihn die Augen zusammenkneifen. Das Schwarze Meer. Er war in Odessa.
    Hatte er von Odessa geträumt oder sich an Odessa erinnert?
    Als er sich vom Fenster abwandte, war sein Kopf noch voller Traumerinnerungen, die sich wie Karamellmasse bis in den blauen Morgen hinein dehnen ließen. Marie in Odessa? Niemals! Aber was machte sie in seinem Erinnerungssplitter aus …
    Odessa!
    Dies war die Stadt, in der sein Erinnerungssplitter entstanden war. Er war schon einmal hier gewesen. Er war mit dem Auftrag hergeschickt worden, jemanden zu liquidieren … Wen? Das wusste er nicht mehr.
    Er setzte sich wieder aufs Bett, rieb sich die Augen mit den Handballen. Er konnte noch immer Maries Stimme hören.
    Â»Ich würde noch leben, wärst du nicht auf der anderen Seite der Welt, wärst du nicht mit ihr zusammen gewesen.« Nicht anklagend. Traurig.

    Was lag daran, wo er gewesen war, was er dort getan hatte? Er war nicht bei ihr gewesen. Marie hatte mit ihm telefoniert. Sie glaubte, sich erkältet zu haben, das war alles. Später der zweite Anruf, der ihn vor Kummer halb wahnsinnig gemacht hatte. Und vor Schuldbewusstsein.
    Er hätte dort sein sollen, um seine Familie zu beschützen, genau wie er hätte da sein sollen, um seine erste Familie zu beschützen. Die Geschichte hatte sich wiederholt – nicht genau, aber doch tragisch ähnlich. Eine Ironie des Schicksals bewirkte, dass seine große räumliche Entfernung vom Ort des Geschehens ihn alles so intensiv erleben ließ, dass er bis an den Rand der schwarzen Leere in seinem Inneren gelangte. Als er hineinstarrte, empfand er eine vertraute, überwältigende Verzweiflung: das Bedürfnis, sich selbst zu bestrafen … oder jemand anders.
    Bourne fühlte sich ganz und gar allein. Für ihn war das ein zutiefst verstörender Zustand, als stünde er wie in einem Traum

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