Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
gesagt, nicht streng oder vorwurfsvoll, sondern in einem Ton, der in ihm den Wunsch weckte, es wirklich noch besser zu machen, und das nicht nur, um seinen Vater zufriedenzustellen, obwohl auch das ein starker Anreiz war. Wenn er sich noch ein bisschen mehr anstrengte, hatte er meistens Erfolg – und lernte dabei auch noch einiges über sich selbst. Andersons Vater war beim Militärnachrichtendienst tätig gewesen und später in der Central Intelligence gelandet. Er hatte einige ihrer Methoden zur Informationsbeschaffung grundlegend geändert und bezahlte seinen Einsatz am Ende damit, dass er wegen Herzproblemen aus dem Dienst ausscheiden musste. Er hasste es, untätig zu Hause zu sitzen, und starb sechzehn Monate später. Anderson wusste, woran sein Vater letztlich gestorben war: Zu Hause konnte er nicht »noch ein bisschen mehr tun«. Er fühlte sich nutzlos, und als er eines Abends zu Bett ging, wachte er nicht mehr auf.
»Ich hab was!«, rief Nevers. »Ich hab den Viren-Algorithmus gefunden. Ein kleines Wunderding.«
»Mich interessiert nur eins: Kann man ihn aufhalten?«
»Nicht so, wie man einen herkömmlichen Virus eliminieren würde«, meinte Nevers. »Man muss ihn von innen heraus anpacken und sozusagen im Algorithmus einen Schalter umlegen.«
Anderson rückte seinen Stuhl nach vorne, um besser sehen zu können. »Dann tun Sie’s.«
»Nicht so schnell«, mahnte Nevers. »In den Virus sind Fallen eingebaut, Sicherheitsmechanismen und Sackgassen.«
Anderson stöhnte frustriert. »Ein Schritt vor, zwei zurück.«
»Immer noch besser, als ganz im Dunkeln zu tappen.« Nevers drückte die Enter-Taste. »Ich habe gerade alles, was ich gefunden habe, ans Team geschickt.« Er wandte sich lächelnd an seinen Boss. »Mal sehen, ob die Jungs noch ein bisschen mehr tun können.«
Anderson stieß einen grunzenden Laut aus.
»Richards hat den Keylogger entdeckt, bevor er den Virus aktiviert hat. Das ist der Kern des Problems. Die Software hat nur einen Teil des Codes aufgezeichnet, nicht den ganzen. Wir können ihn erst aufhalten, wenn wir den vollständigen Code haben.«
»Haben Sie nicht genug Informationen, um eine fundierte Annahme zu treffen und in den Algorithmus einzugreifen?«
»Das könnte ich«, räumte Nevers ein, »aber ich tu’s nicht.« Er wandte sich Anderson zu. »Sehen Sie, dieser Virus ist mit so vielen kleinen Sprengfallen versehen – wenn ich eine davon auslöse, mache ich alles noch viel schlimmer.«
»Schlimmer?«, fragte Anderson ungläubig. »Was könnte schlimmer sein als der Verlust der Daten?«
»Eine Überlastung der Mainboards – dann wären die Server nur noch ein Haufen Silizium, seltene Erden und Schaltkreise. Unsere verschlüsselten Kommunikationskanäle wären für weiß Gott wie lange außer Gefecht.«
Dann lächelte er. »Einen Lichtblick gibt es aber …« Er zog einen winzigen rechteckigen Gegenstand unter dem Schreibtisch hervor. »Richards hat das Bluetooth-Gerät nicht gefunden. Falls er irgendwas von außen runtergeladen hat, haben wir’s aufgezeichnet und können es sogar zum Ursprung zurückverfolgen.«
Als Nicodemo Don Fernando Herrera sah, erstarrte er zur Statue. Herrera war tot – jedenfalls laut Martha Christiana. Sie hatte also gelogen und war nun selbst tot, lag in einer Blutlache auf einer Straße der Île Saint-Louis. Es war unmöglich zu sagen, ob sie selbst aus dem Fenster im vierten Stock gesprungen war oder ob sie jemand gestoßen hatte. Fest stand jedoch, dass Herrera danebenstand und mit den Polizisten sprach, während Fotos geschossen und Spuren am Tatort gesichert wurden.
Nicodemo reckte den Hals und sah durch das zertrümmerte Fenster die Polizisten in der Wohnung, die Herrera gehören musste. Auch hier flammten Blitzlichter auf und wurden Fingerabdrücke genommen. Nicodemo hatte keine Ahnung, was sie zu finden hofften, und es interessierte ihn auch nicht. Seine Aufmerksamkeit wandte sich von Martha Christiana, der Frau, die er abholen und zum Flugzeug hätte bringen sollen, dem Mann zu, der eigentlich tot sein sollte: Herrera. Für Martha Christiana konnte er nichts mehr tun, aber um Herrera musste er sich auf jeden Fall kümmern.
Er zog sich hinter die Straßenecke zurück und rief Maceo Encarnación an.
»Ich stehe hier an der Ecke vor Don Fernando Herreras Wohnung«, sagte er, als Encarnación sich meldete. »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, aber Martha Christiana ist tot.«
Als Reaktion kam eine Tirade von Flüchen, und
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