Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
sie mit seinem Baby im Bauch im Krankenhaus lag, und plötzlich begann das »Huhn nach General Tso« in seinem Magen zu revoltieren.
Er sprang auf, sprintete zur Toilette und übergab sich, als würde er seine Eingeweide herauskotzen.
Li Wan rekelte sich zwischen den unglaublich langen Beinen von Natasha Illion, als er zu seinem verschlüsselten Handy griff und eine Taste drückte. Der Anruf wurde mehrfach automatisch weitergeleitet, quer durch das Land, über den Pazifik und schließlich durch verschiedene geheime Lauschposten in Peking. Der Sitz der Staatlichen Getreideverwaltung befand sich im Guo hong-Gebäude im Regierungsviertel. Zu den obersten drei Stockwerken hatten die Mitarbeiter darunter keinen Zutritt. Ein eigener Aufzug führte von der riesigen Lobby in diese drei Etagen, ohne in den Stockwerken darunter anzuhalten. Die übrigen Mitarbeiter hatten auch nicht das Bedürfnis, die Herren in den obersten Etagen zu besuchen.
Doch für Leute wie Li Wan gab es nur diese drei Etagen im Guohong-Gebäude. Das Ziel des Anrufs, den er an diesem Morgen – zwischen Natashas seidigen Beinen – tätigte, war ein Büro im obersten Geschoss des Gebäudes. Es war sechs Uhr abends in Peking, doch die Tages- oder Nachtzeit war unwichtig, weil dieses Büro rund um die Uhr besetzt war.
Der Minister stand am Rande eines riesigen Raumes, dessen fünfzehnhundert Computer, über Intranet verlinkt, von Jugendlichen zwischen zehn und neunzehn Jahren besetzt waren. Sie waren vom chinesischen Militär ausgewählte Hacker, deren einzige Aufgabe es war, die Firewalls und Intranets von Regierungen und multinationalen Konzernen zu knacken, die die Armeen der Staaten mit den neuesten Waffen und Technologien ausrüsteten. Zu diesem Zweck arbeiteten sie in Gruppen an neuen Generationen von Trojanern, Würmern und Viren. Wer der Herkunft dieser Angriffe nachging, würde nach langer, mühevoller Suche herausfinden, dass die IP-Adresse einem gewissen Xu Lang gehörte, einem in Ungnade gefallenen Wirtschaftsprofessor in einem abgelegenen Dorf in der Provinz Guangdong.
Der Minister war stolz auf die Operation, die er persönlich ins Leben gerufen hatte. Die Informationen, die seine Leute von vielen verschiedenen Quellen stahlen, erwiesen sich als überaus wertvoll für die chinesischen Streitkräfte, insbesondere für seinen Freund, General Wang Liqun.
Der Minister spürte, wie sein Handy vibrierte, verließ die Cyberwerkstatt, ging bis ans Ende des Flurs und betrat sein Büro. Er setzte sich an den sauber aufgeräumten Schreibtisch aus Ebenholz mit eingelegtem Elfenbein. Auf einer Seite standen sechs Telefone, auf der anderen ein Briefbeschwerer aus Rhinozeroshorn. Vor ihm lag ein offenes Dossier mit der Aufschrift STRENG GEHEIM . Der Minister war Anfang fünfzig und hatte das lange, elegante Gesicht eines Dirigenten oder Choreografen. Sein glattes schwarzes Haar war aus der breiten Stirn zurückgekämmt. Seine Hände – lang und feingliedrig – waren genauso gepflegt wie sein Haar und sein Gesicht. Während er den Anruf entgegennahm, betrachtete er ein Foto im Dossier. Er wartete geduldig, während Li Wans Anruf auf eines seiner Telefone umgeleitet wurde. Er hielt das Telefon ans Ohr, ohne den Blick von dem Bild zu wenden, einem Schwarz-Weiß-Überwachungsfoto, mit einem Teleobjektiv geschossen.
»Was gibt’s?«, fragte er, als die verschlüsselte Verbindung zustande kam. Seine Stimme klang hoch und klagend, wie die eines Kindes, das bestraft wurde.
»Minister Ouyang, es gibt neue Entwicklungen.«
Ouyang stellte sich das Zimmer vor, aus dem sein Agent anrief. Es war fünf Uhr morgens an der amerikanischen Ostküste. Er fragte sich, ob Li Wan allein war oder ob seine langbeinige Freundin bei ihm war.
»Das könnte einen positiven oder einen negativen Einfluss auf meinen Abend haben, Li. Worum geht’s?«
»Durch schiere Dummheit bietet sich uns eine außerordentliche Gelegenheit.«
»Mit Mr. Thorne?«
»Ja. Er und seine Kollegen im Vorstand von Politics As Usual stecken mitten in einem Abhörskandal. Sie haben neunzehn Monate lang gut verdient mit ihren illegalen Informationen, aber jetzt haben sie die Justiz am Hals.«
»Das ist mir bereits bekannt.« Immerhin hatte Ouyang eine Kontaktperson im Justizministerium. »Bitte, fahren Sie fort.«
»Vom ersten Tag an war das Ziel meiner Verbindung zu Charles Thorne, an seine Frau heranzukommen.«
»Als Vorsitzende des neu gebildeten Homeland-Bewilligungsausschusses ist Senatorin
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