Der Bronzehändler
dabei unsichtbar sein wie eine Eule in der Nacht.«
»Drüben, bei den Retenu?«
»Ja. Kümmert euch nicht um ihn.« Karidon sah einen kantigen Turm aus Lehmziegeln, mitten in einem ebenen Wüstenstrich; ein Posten der Fürstenmauer. Er nickte dem Lotsen zu, holte den Spiegel und erinnerte sich der Blinkfolgen, die mit den Boten ausgemacht waren. Eine halbe Stunde danach tauschten sie Signale aus.
Zu beiden Seiten der Schleuse, teilweise aus gewachsenem Fels, standen Bogenschützen und Speerträger mit großen Schilden. Leichter Sog ergriff das Schiff, als es die Führungsrillen der Schleusensperre im Gestein hinter sich ließ.
»Ihr seid die Horus von Itch-Taui! Seht zu, dass ihr abends beim Feuer, dort, bei der Rauchsäule, seid. Essen und Nachtlager sind vorbereitet!«, rief ein Anführer. »Bis zum Meer wird euch niemand belästigen!«
»Zeigt es den elenden Retenu!«, brüllte ein Bogenschütze.
»Wir sind nur Bronzehändler«, schrie Jehoumilq vom Backbordruder. »Krieg und Sieg überlassen wir dem Goldhorus!«
Das neue Segel war noch kein einziges Mal aufgezogen worden. Ohne Eile ruderten sie weiter und erreichten im Abendlicht eine Ansammlung kleiner Häuser und Hütten aus Stein, Lehmziegeln und Palmwedeldächern. Sie legten an, aßen und tranken und verbrachten eine ruhige Nacht. Sechs Tage später, nach einer Fahrt zwischen Felsen, Wüste und schütteren Oasen, nach den letzten Ausläufern fruchtbaren Landes im Norden, glitten sie durch die Meerschleuse. Sämtliche Krüge und Wasserschläuche waren gefüllt. Im kräftigen Nordwind setzten sie das Segel, zogen die Riemen ein und segelten, stets beide Ufer in Sicht, durch ruhiges Wasser nach Süd.
»Wir sind nur harmlose Händler, merkt es euch!« Jehoumilq lehnte am Mast und gestikulierte mit dem leeren Becher. »Haltet euch an Holx, Saigoos und die anderen. Ihr seid bezahlte Ruderer aus Gubla. Nichts sonst. Wir gehen jeder Streiterei aus dem Weg. Habt ihr verstanden?«
»Wir haben verstanden, Käpten.« Pinkasi deutete in den Laderaum. »Und unsere Waffen?«
»Bleiben versteckt, bis wir sie brauchen. Wir handeln, stellen dumme Fragen und sehen uns um. Nicht wahr, Chaemrehu?«
»Ja.« Der Späher spielte seit dem Ablegen in Itch-Taui mit einem Tonkügelchen. Er ließ es unentwegt zwischen den Fingern verschwinden und wieder erscheinen. Ptah sprach statt Jehoumilq weiter.
»Wir erwarten fremde Händler mit Eseln und Schiffen. Die Verwalter aus Tameri sind wahrscheinlich tot oder gefangen. Kupferbarren und kostbare Steine gehen nach Gubla oder Uschu, nach dem Sumererland oder anderswohin: nicht zum Hapi. Die Bergwerke gehören dem Goldhorus. Er rast vor Zorn.«
»Das Schiff gehört angeblich mir«, sagte Jehoumilq. »Wir haben in Pa-Beseth geladen und wissen nur, dass der Kanal benutzbar ist. Wir sind dumme Händler. Klar?«
»Ungewöhnlich begriffsstutzige Bronzehändler«, sagte Holx-Amr. »Der Hafen wird so schäbig sein, wie ich es befürchte.«
»Ja«, sagte der Späher und warf die Kugel drei Handbreit in die Luft. Als er sie mit der linken Hand auffangen wollte, war sie verschwunden. Die Horus segelte entlang des Backbordufers; schräg voraus erstreckte sich nach Süd ein langer hoher Felsriegel, mit einem Grat wie eine feingezähnte Messerschneide.
In der Nacht hatte die Schiffsbesatzung schwachen Glutschein hinter niedrigen Hügeln gesehen. Als die Horus nach Backbord glitt, entdeckte Karidon weiter landeinwärts seltsam zerfaserte Rauchsäulen und einen wabernden Vorhang heißer Luft, der die Umrisse der Berge im Hintergrund schwanken ließ. Der Hafen lag hinter einer Landzunge, die von Norden vorsprang.
Sagarqa und Idris kamen in den Bug, musterten die Häuser, Hütten und Schuppen und das Gerippe eines Schiffes, das, auf die Felsen geworfen, auf der Seite lag. Einige Fischerboote dümpelten weit vor der Einfahrt.
»Das Segel herunter«, rief Jehoumilq. »Kadran! Eine Gruppe hält sich bereit: wenn wir flüchten müssen, wird die Rah blitzschnell aufgezogen!«
»Verlass dich drauf, Käpten.«
Gegen steifen Wind ruderten sie die Horus zum Strand, drehten und setzten das Heck vorsichtig auf den Sand. Braunhäutige, schmalgesichtige Männer liefen aus den Häusern. Jehoumilq, der einen kurzen keftischen Wollkittel trug und seine Kette abgelegt hatte, brüllte über das seichte Wasser, in der Sprache von Gubla und Uschu:
»Wir sind Händler aus Gubla! Feine Waren. Gibt es bei euch etwas Brauchbares?«
»Kupfer und
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