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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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erlebt.«
    »Was weiß ich? Was ist los? Erzähl!«
    »Ich hab’s gehört«, sagte er. »Sie reden darüber.«
    Er wandte sich ab, wollte kein Wort mehr sagen. So würde ich nie erfahren, was man sich über mich und Pyke erzählte, und was er mir angetan hatte.
    »Ist mir auch egal«, sagte ich.
    »Dir ist alles egal«, sagte er. »Dir ist alles völlig unwichtig, sogar die Partei. Du kannst einfach nicht lieben. Bleib hier und kämpf.«
    Ich ging unruhig auf und ab. Terrys Schlafsack lag auf dem Boden, neben dem Bett ein Messer. Es wurde langsam Zeit, hier zu verschwinden. Ich wollte mich noch ein bißchen in diesem Teil von London herumtreiben. Ich wollte Changez anrufen und ihn bitten, auf seinen Chaplin-Füßen neben mir herzuwatscheln. Terry tigerte jetzt durch das Zimmer; ich starrte aus dem Fenster und versuchte, die Fassung zu bewahren. Menschen, die ständig nur halb recht und halb unrecht hatten, machten mich wahnsinnig. Ich haßte die Meinungsvielfalt, diese Gewißheit, die über bestimmte Probleme herrschte, das sorglose Reden über Cuba und Rußland und das Wirtschaftssystem, denn unter den entschiedenen Worten lauerte ein Abgrund der Unwissenheit und Ignoranz und eigentlich auch des Nicht-wissen-Wollens. Fruitbat-Jones’ Lover, Chogyam-Rainbow-Jones, hatte für sich eine Regel aufgestellt: Er sprach nur von Sachen, die er selbst kennengelernt hatte, von Dingen, mit denen er selbst praktische Erfahrung gemacht hatte. Es schien eine gute Regel zu sein.
    Ich öffnete den Mund, um Terry noch einmal zu sagen, was für ein Idiot er sein, wie stur er meiner Meinung nach in seinen Ansichten war, als er sagte: »Du kannst herkommen und hier bei mir leben. Eleanor hat dich doch rausgeschmissen, oder nicht? In dem besetzten Haus hier treiben sich ein paar anständige Mädchen aus der Arbeiterklasse herum. Du wirst schon nicht zu kurz kommen.«
    »Darauf würd ich wetten«, sagte ich.
    Ich legte ihm meine Hand zwischen die Beine. Ich glaubte nicht, daß er es zulassen würde, meine Annäherung wirklich zu genießen; ich glaubte nicht, daß er mir gestatten würde, seinen Schwanz herauszunehmen, doch ich dachte immer, man soll es auf jeden Fall mit jedem probieren, der einem gefiel. Man konnte ja nie wissen, vielleicht hatten sie doch Spaß daran, und wenn nicht, war auch nichts verloren. Attraktive Menschen sind einfach eine Provokation, dachte ich, zumindest wenn ich in der richtigen Stimmung war. »Rühr mich nicht an, Karim«, sagte er.
    Ich hörte nicht auf, ihn zu reiben, ihm die Fingernägel in die Eier zu krallen, doch dann sah ich in sein Gesicht. Wie wütend ich auch auf ihn war, wie sehr ich ihn auch demütigen wollte, plötzlich sah ich soviel Menschlichkeit in Terrys Augen und in der Art, wie er zu lächeln versuchte, soviel Unschuld in seinem Bemühen, mich zu verstehen, soviel potentiellen Schmerz und die innere Gewißheit, daß ich ihn nicht verletzen würde, daß ich mich ans andere Ende des Zimmers zurückzog. Ich setzte mich hin und starrte gegen die Wand. Ich dachte an Menschen, die andere quälen und ihnen unnötige physische Schmerzen bereiten. Wie konnte man so etwas tun, wenn es doch Blicke gab, die einen aus den tiefsten menschlichen Abgründen heraus so anflehten, daß man vor Mitleid ein Jahr lang heulen könnte? Ich ging auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand. Er hatte keine Ahnung, was los war. »Terry«, sagte ich, »bis bald.« »Bis wann?« fragte er besorgt.
    »Bis ich aus Amerika zurückkomme.«
    Er begleitete mich bis an die Tür. Er verabschiedete sich, und dann sagte er, es täte ihm leid. Ganz ehrlich, es hätte mir jetzt nichts ausgemacht, bei ihm einzuziehen und mit ihm in Brixton zu leben, doch die Zeit dafür war wahrscheinlich vorbei. Amerika wartete auf mich.
     

Kapitel siebzehn

    Nach der ersten Vorstellung in New York brachten uns Taxis zu einem Apartmenthochhaus am Central Park South, nicht weit vom Plaza Hotel. Wir fuhren mindestens in den neunhundertsten Stock; die eine Wand der Wohnung war ganz aus Glas und bot einen freien Blick über die Parks und das nördliche Manhattan. Diener trugen silberne Tabletts umher, und am Klavier spielte ein Schwarzer »As Time Goes By«. Ich kannte die Gesichter von einigen Schauspielern, und es hieß, es seien auch Agenten, Journalisten und Verleger anwesend. Carol ging von einem zum anderen und stellte sich vor. Pyke blieb beharrlich am selben Fleck stehen, nicht ganz exakt in der Mitte des Zimmers, wo er zufrieden und huldvoll

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