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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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das freigiebig gespendete Lob entgegennahm und zweifellos darauf hoffte, Friseure aus Wisconsin kennenzulernen. Tracey, Richard und ich mimten die englischen Provinzler, die vor lauter Angst, vom kapitalistischen Virus angesteckt zu werden, nervös in einer Ecke standen. Eleanor unterhielt sich angeregt mit einem jungen Filmregisseur, der sich seine Haare zu einem kleinen Pferdeschwanz gebunden hatte. In den letzten drei Monaten hatte ich kaum mehr als ein paar Worte mit Eleanor gewechselt, und als ich sie mir jetzt so betrachtete, merkte ich zum erstenmal, wie wenig ich sie eigentlich kannte, verstand oder mochte. Ich hatte sie haben wollen, und sie doch auch irgendwie nicht gewollt. Woran hatte ich nur die ganze Zeit gedacht, als ich mit ihr zusammen gewesen war? Ich beschloß, mir noch einige Drinks zu genehmigen und dann mit ihr zu reden.
    Der Intendant des Theaters, Dr Bob, war ein ehemaliger Akademiker, Theaterkritiker und begeisterter Anhänger der »ethnischen Kunst«. Sein Büro quoll über von peruanischen Bastkörben, geschnitzten Paddeln, afrikanischen Trommeln und Bildern. Irgendwie hatte er geahnt, daß ich kurz davor war, in ein Stimmungstief zu fallen, denn als wir für die amerikanische Premiere probten, sagte er zu mir: »Keine Angst, ich werd schon vernünftige Musik für dich auftreiben«, als hätte er gespürt, was mir fehlte, um mich hier wie zu Hause zu fühlen.
    Er ließ Tracey und mich in zwei etwas in den Vordergrund gerückten Sesseln Platz nehmen und versammelte den Rest der Party hinter uns. Alle dachten, jemand wolle eine Rede halten oder etwas ansagen. Plötzlich stürmten drei dunkelhäutige Männer in das Zimmer, in der Hand Trommeln, auf die sie mit einer Art hölzernem Haken einschlugen. Einer der Männer wirbelte in glänzend rosa Hosen, nacktem Oberkörper und ausgestreckten Armen durch das Zimmer. Zwei schwarze Frauen bildeten sein Gefolge und wedelten dabei mit den Händen herum. Dann sprang noch ein Mann in Glitzerhosen ins Zimmer, und kaum einen Schritt vor Traceys und meinen Augen begann eine Art Balztanz. Dr Bob hockte in einer Ecke und schrie »Yeah« und »Gut so«, während die Haitianer tanzten. Ich fühlte mich wie ein Kolonialist, dem zu Ehren die Eingeborenen eine Vorstellung geben. Dann rasender Applaus, und Dr Bob forderte uns auf, den schwarzen Tänzern die Hände zu schütteln.
    Ich sah Eleanor an dem Abend erst wieder, als die meisten Gäste bereits gegangen waren, und Eleanor, Richard, Carol und ich in einem Schlafzimmer um Pyke versammelt saßen. Pyke war richtig aufgedreht und lachte ständig. Er war in New York, hatte Erfolg mit seinem Stück und war umgeben von Bewunderern. Was konnte er mehr vom Leben verlangen? Er spielte wieder eines seiner Lieblingsspielchen; ich konnte die Gefahr beinahe riechen. Doch wenn ich aus dem Zimmer ginge, würde ich unter lauter Fremden sein, also blieb ich und stellte mich dem, was geschehen mochte, auch wenn mir nicht danach zumute war.
    »Ihr alle«, sagte er, »wenn ihr die freie Wahl hättet, mit wem in dieser Wohnung würdet ihr vögeln wollen?« Alle lachten, sahen sich an, überlegten sich ihre Wahl, versuchten besonders kühn zu sein, zeigten mit dem Finger aufeinander und riefen: »Mit dir! Mit dir!« Ein Blick auf Pyke sagte mir, wie unwichtig ich an diesem Abend für ihn war. Ich nickte, lächelte ihn an und flüsterte Eleanor zu: »Können wir draußen mal miteinander reden?«, doch Pyke sagte: »Einen Moment noch, wartet eine Minute, ich muß euch etwas vorlesen.«
    »Komm schon«, sagte ich zu Eleanor, aber sie hielt mich am Arm fest. Ich wußte, was jetzt kommen würde. Pyke zückte sein Notizbuch. Und er begann, seine Prophezeiungen vorzulesen, die er sich an unserem ersten Probentag aufgeschrieben hatte, damals, in dem Raum am Fluß, wo wir um der Gruppe willen ehrlich miteinander gewesen waren. Himmel, war ich betrunken, und ich kapierte nicht, wieso die anderen Pyke so aufmerksam zuhörten: Es war fast so, als würde Pyke unsere Kritiken vorlesen, nicht die unseres Stücks, sondern die Kritiken unserer Persönlichkeit, unserer Kleider, unserer Ideale - eben unsere Kritiken. Jedenfalls las er gerade die über Tracey und Carol vor; ich lag lang auf dem Boden ausgestreckt und hörte nicht hin - es war sowieso nicht interessant. »Jetzt Karim«, sagte er, »hör zu, das wird dich wieder aufmuntern.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es.«
    Er begann, seine Notizen über mich vorzulesen. Gesichter

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