Der Buddha aus der Vorstadt
sahen mich an und lachten. Warum haßten sie mich so? Was hatte ich ihnen getan? Warum konnte ich nicht härter, stärker sein? Warum war ich so empfindlich?
»Karim sucht nach jemandem, mit dem er vögeln kann. Einen Typ oder eine Frau: Das ist ihm egal, und das ist gut so. Aber er würde eine Frau vorziehen, weil die ihn bemuttern könnte. Deshalb geht er alle Frauen der Gruppe durch. Tracey ist ihm zu widerspenstig, zu gierig; Carol zu ehrgeizig; und Louise vom Aussehen her nicht sein Typ. Es wird Eleanor sein. Er hält sie für attraktiv, aber sie ist von ihm nicht gerade überwältigt. Außerdem ist sie wegen der Sache mit Gene immer noch ziemlich mitgenommen und fühlt sich für seinen Tod verantwortlich. Ich werde ein Wort mit ihr reden, ihr vorschlagen, daß sie sich ein wenig um Karim kümmert, ihn vielleicht bekocht, ihm etwas Selbstvertrauen einflößt. Ich schätze, Eleanor wird mit ihm vögeln; im Grunde wird sie es zwar aus Mitleid tun, doch Karim wird sich bis über beide Ohren in sie verknallen, und sie ist zu sanftmütig, um ihm die Wahrheit zu sagen. Es wird ein Ende mit Tränen geben.«
Ich ging in das andere Zimmer. Am liebsten wäre ich in London gewesen; ich wollte fort von diesen Menschen. Ich rief Charlie an, der in New York lebte, aber er war nicht zu Hause; ich hatte schon einige Male mit ihm telefoniert, ihn aber noch nicht getroffen. Plötzlich legte Eleanor ihren Arm um mich und hielt mich fest. Ich sagte immer wieder: »Laß uns gehen, laß uns irgendwohin gehen, wo wir Zusammensein können.« Sie sah mich mitfühlend an und sagte, nein, sie müsse mir die Wahrheit sagen, sie würde die Nacht mit Pyke verbringen, sie wolle ihn so intensiv wie möglich kennenlernen. »Dazu braucht man keine ganze Nacht«, sagte ich. Ich sah Pyke zusammen mit den anderen aus dem Schlafzimmer kommen und stürzte mich auf ihn. Ich wollte ihn zusammenschlagen. Aber ich konnte keinen sauberen Schlag landen. Es gab ein Handgemenge; ich tobte, überall waren Arme und Beine. Wem gehörten sie? Ich drehte durch, trat um mich, biß, schrie. Ich wollte einen Stuhl durch das Glasfenster feuern und gleichzeitig auf der Straße sein, um ihn in Zeitlupe durch das Fenster fallen zu sehen. Auf einmal schien ich in einer Art Kiste zu stecken. Ich starrte auf geschliffene Holzdielen und konnte mich nicht bewegen. Jemand hielt mich fest. Ich war bestimmt tot, Gott sei Dank. Eine amerikanische Stimme sagte. »Diese Engländer sind wie die Tiere. Ihre Kultur ist völlig den Bach runter.«
Die Cabs in New York haben diese kugelsicheren Trennwände, damit man den Fahrer nicht umbringen kann, und die Sitze sind verdammt schlüpfrig; ich lag praktisch auf dem Boden. Wenigstens war Charlie bei mir. Er hielt mich mit seinen Armen umklammert und paßte auf, daß ich nicht vom Sitz rutschte. Er weigerte sich, den Wagen anhalten zu lassen, als ich in eine Oben-ohne-Bar wollte. Dann sah ich die Haitianer auf der Straße. Ich kurbelte die Fensterscheibe herunter, befahl dem Fahrer langsamer zu fahren und schrie sie an: »Hey, Typen, wo wollt ihr denn hin?« »Hör auf damit, Karim«, sagte Charlie sanft.
»Kommt schon!« kreischte ich. »Laß uns losziehen. Erobern wir Amerika!«
Charlie sagte dem Fahrer, er solle nicht auf mich achten. Aber er war immerhin gut gelaunt und freute sich, mich wiederzusehen, sogar dann noch, als wir aus dem Taxi stiegen und ich mich auf den Bürgersteig legen wollte, um zu schlafen.
Charlie war an diesem Abend im Theater gewesen, hatte nach der Vorstellung aber mit einem Plattenproduzenten essen müssen und war deshalb erst spät zur Party gekommen. Als er mich halb bewußtlos unter dem Klavier fand, umringt von wütenden Schauspielern, brachte er mich nach Hause. Tracey erzählte mir später, daß sie mir gerade das Hemd geöffnet hätte, als sie aufblickte und Charlie auf sich zukommen sah. Er sei so schön gewesen, sagte sie, daß ihr die Tränen gekommen seien.
Eingewickelt in eine Bettdecke, wachte ich in einem gemütlichen, strahlend hellen Zimmer auf. Es war nicht sonderlich groß, aber ich entdeckte mehrere Sofas, alte Ohrensessel, einen Kamin und eine Küche hinter offenen Schiebetüren. An den Wänden hingen gerahmte Poster von Kunstausstellungen, und überall lagen Bücher: Es war eine behagliche Wohnung, keine der Behausungen, wie man sie sonst von Rockstars kennt. Allerdings hielt ich Charlie auch nicht für einen Rockstar. Im Grunde paßte diese Rolle überhaupt nicht zu ihm, er schien
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