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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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stehen, für den Fall, daß jemand nachts eine Brandbombe in den Laden warf. Viele von Jamilas Ansichten wurzelten in der Überzeugung, daß einer von uns eines Tages von einer weißen Bande umgebracht werden könnte.
    Jamila hatte versucht, mich für ihren Trainingskader zu rekrutieren, aber ich konnte morgens nicht so früh aufstehen. »Warum müssen wir mit dem Training um acht Uhr morgens anfangen?« jammerte ich.
    »Cuba wurde auch nicht durch Langschläfer befreit, oder? Fidel und Che standen schließlich nicht um zwei Uhr nachmittags auf. Sie hatten nicht einmal Zeit, sich zu rasieren!« Anwar hatte etwas gegen diese Trainingsstunden. Er dachte, sie würde sich in der Karateschule nur mit Jungens treffen und lange Läufe durch die Stadt machen. Manchmal rannte sie durch Deptford und wurde aus einem Türeingang heraus von Baby Face beobachtet, der sich, den Kragen hochgeschlagen, seine haarige Nase gerade noch sichtbar, angewidert umdrehte, wenn Jammie ihrem Daddy eine Kußhand zuwarf.
    Bald nachdem Daddys haariger Nase ein Kuß zugehaucht worden war, der sein Ziel nie erreichte, hatte Anwar ein Telefon angemeldet und sich damit stundenlang ins Wohnzimmer eingeschlossen. Danach war das Telefon abgesperrt. Jamila mußte eine Telefonzelle benutzen. Anwar hatte nämlich insgeheim entschieden, daß es an der Zeit sei, Jamila zu verheiraten.
    Mittels dieser Anrufe war Anwars Bruder in Bombay eingeschaltet worden, und Jamila war seither mit einem Jungen verkuppelt, der nur darauf wartete, nach London zu kommen und dort alsjamilas Ehemann zu leben. Nur war dieser Junge kein Junge mehr. Er war dreißig. Als Mitgift erwartete das alternde Bürschchen einen warmen Wintermantel von Moss Bros, einen Farbfernseher und, eigenartigerweise, eine Gesamtausgabe der Werke von Conan Doyle. Anwar hatte allem zugestimmt, beriet sich aber mit Dad. Und Dad fand die Conan-Doyle-Forderung äußerst seltsam. »Welcher normale Inder würde so etwas wollen? Über den Jungen müssen weitere Nachforschungen angestellt werden - und zwar sofort!«
    Anwar jedoch ignorierte Dads Vorahnungen. Wegen der Kinder hatte es schon vorher Reibereien zwischen ihnen gegeben. Dad war sehr stolz darauf, daß er zwei Söhne hatte. Es bedeute, sagte er überzeugt, daß er »guten Samen« habe. Und da Anwar es bisher nur auf eine Tochter gebracht hatte, bedeute dies, daß er »schwachen Samen« habe. Anwar damit aufzuziehen, machte Dad Spaß.
    »Yaar, hast du denn in der gesamten Samenproduktion deines Lebens nicht mehr auf Lager als nur ein Mädchen, nur ein einziges Mädchen?«
    »Scheiß drauf«, antwortete Anwar. Das Thema brachte ihn leicht aus der Fassung. »Meine Frau ist schuld, du Arschloch. Ihr Bauch ist verschrumpelt wie eine Pflaume.« Anwar hatte Jamila erzählt, was er beschlossen hatte; sie würde den Inder heiraten, und der würde herüberkommen, seinen Mantel anziehen und in ihren starken Armen bis an sein Lebensende glücklich sein.
    Danach wollte Anwar in der Nähe eine Wohnung für die frisch Vermählten mieten. »Groß genug für zwei Kinder«, sagte er zu einer perplexen Jamila. Er nahm ihre Hand und meinte noch: »Bald wirst du sehr glücklich sein.« Ihre Mutter sagte: »Wir freuen uns beide sehr für dich, Jamila.«
    Wie es bei jemandem mit ihrem Temperament und ihren Angela-Davis-Überzeugungen nicht sonderlich überraschte, war Jamila wenig begeistert von der Idee.
    »Was hast du ihm gesagt?« fragte ich, während wir weiter spazierengingen.
    »Milchgesicht, ich wäre sofort, in der gleichen Sekunde noch, abgehauen. Ich hätte dafür gesorgt, daß die Stadt sich um mich kümmern muß. Irgend etwas. Ich hätte bei Freunden gewohnt, wäre auf Trebe gegangen. Wenn meine Mutter nicht wäre. Er läßt es an Jeeta aus. Er vergreift sich an ihr.«
    »Er schlägt sie? Ehrlich?«
    »Hat er, früher, bis ich ihm gesagt habe, daß ich ihm die Haare mit einem Schnitzmesser abschneiden würde, wenn er es noch einmal macht.«
    »Nun«, sagte ich, zufrieden damit, daß es in dieser Angelegenheit nicht mehr viel zu sagen gab, »letzten Endes kann er dich nicht zu etwas zwingen, was du nicht willst.«
    Sie drehte sich zu mir um. »Kann er doch! Du kennst meinen Vater gut, aber so gut nun auch wieder nicht. Es gibt etwas, das ich dir noch nicht erzählt habe. Komm mit. Komm schon, Karim«, drängte sie.
    Wir gingen zurück zum Laden, wo sie mir rasch ein Kebab und Chapati machte, diesmal mit Zwiebeln und grünen Chilis. Das Kebab schwitzte braunen Saft

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