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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Ruhm, den Charlie in Südlondon genoß, aller Ruhm war, den er je genießen würde. In London sahen die Kids einfach irre aus; sie zogen sich an wie kleine Götter und gingen und redeten auch so. Für die hätten wir auch direkt aus Bombay kommen können. So weit würden wir es nie bringen.
    Wie vorauszusehen war, mußte ich für Charlie bezahlen. Und ich tat es, ohne zu zögern, obwohl ich nur wenig Geld hatte, denn schließlich war ich immer noch gern mit Charlie zusammen. Meine Geldknappheit kam nicht von ungefähr. Da die Wohnungspreise in London stiegen, hatte sich Eva einen pfiffigen Plan ausgedacht: Sie wollte die Wohnung renovieren, sie dann mit Gewinn weiterverkaufen, wie damals das Haus, und erneut umziehen. Aber noch meditierte sie stundenlang und wartete darauf, daß die innere Stimme der Wohnung ihr die beste Farbkombination für die jeweiligen Zimmer einflüsterte. Sobald sie die Botschaft empfing, würden Ted und ich die Anweisungen ausführen, und Eva würde uns bezahlen. Bis dahin war ich jedoch pleite, und Ted blieb daheim, hing mit Mum gemeinsamen Kriegserinnerungen nach und versuchte, Jean vom Trinken abzuhalten.
    Charlie war sofort blau. Wir saßen in der kleinen Seitenbar vom Nashville. Ich merkte, daß er allmählich anfing zu stinken. Er wechselte nicht besonders oft die Kleider, und wenn er sich umzog, dann nahm er, was ihm in die Hände fiel - Evas Pullover, Dads Jacken und vor allem meine Hemden, die er sich auslieh und die ich nie wiedersah. Meistens lud er sich selbst auf irgendeine Fete ein, entdeckte im Kleiderschrank ein besseres Hemd, zog es an und ließ meins dafür liegen. Seit einiger Zeit schloß ich meine Hemden jede Nacht in ein Schubfach in der Kommode ein, aber vor einigen Tagen hatte ich den Schlüssel verloren, und so lagen meine ganzen Ben Shermans jetzt unter Verschluß.
    Ich hatte gehofft, Charlie erzählen zu können, wie deprimiert und einsam ich mich fühlte, seit wir in die City gezogen waren. Aber noch ehe ich meinen ersten Seufzer ausstoßen konnte, kam Charlie mir schon zuvor. »Ich glaube, ich bring mich um«, verkündete er so großspurig, als wäre er schwanger. Er sagte, er wisse nicht mehr ein noch aus vor Verzweiflung und kümmere sich keinen Deut mehr darum, was mit ihm oder dem Rest der Welt geschehe.
    Ein berühmter Fußballstar mit einer berühmten Dauerwelle saß neben Charlie und hörte zu. Bald begann Charlie der Dauerwelle leid zu tun, wie es Leuten mit Charlie oft so geht, und Charlie fragte ihn nach der drückenden Last des Ruhms, als wäre es etwas, was auch ihm Tag für Tag zu schaffen machte. »Was tun Sie zum Beispiel«, fragte Charlie, »wenn die Reporter Sie nicht in Ruhe lassen wollen? Wenn sie Ihnen jeden Morgen die Tür einrennen?«
    »Was soll’s? Letzten Endes ist es die Sache schon wen«, antwortete Dauerwelle. »Manchmal lauf ich auf den Platz und hab ’nen Steifen, so aufgeregt bin ich «
    Er lud Charlie - mich nicht - auf einige Drinks ein. Ich wünschte mir, Dauerwelle würde verschwinden, und ich könnte mit Charlie reden, aber Charlie rührte sich nicht vom Fleck. Wenigstens hatte ich mir vorher einige Speeds eingeworfen, und wenn ich diese kleinen blauen Dinger intus hatte, konnte ich alles ertragen, aber ich fühlte mich trotzdem enttäuscht. Erst als irgend jemand ankündigte, daß die Band im Saal nebenan weiterspielen wolle, wendete sich mein Glück. Ich sah, wie Charlie plötzlich zusammenklappte, dem Fußballer auf die Hose kotzte und dann hintenüber vom Barhocker fiel. Dauerwelle tobte. Immerhin schwamm ihm ein dampfender Teich aus Charlies chinesischem Abendessen im Schoß, und kurz vorher hatte er uns noch erzählt, daß er heute nacht eine Frau mit ins Tramp nehmen wolle, Jedenfalls sprang er auf und trat Charlie einige Male mit den berühmten Füßen gegen den Kopf, bis ihn die Rausschmeißer wegzogen. Ich manövrierte Charlie bis an die Hauptbar und lehnte ihn gegen die Wand. Er war nur halb bei Bewußtsein und flennte unaufhörlich. Er wußte, wie weit es mit ihm gekommen war.
    »Mach dir nichts draus«, sagte ich ihm. »Komm heute abend einfach niemandem zu nahe.«
    »Ich fühl mich schon besser, kapiert?«
    »Gut.«
    »Jedenfalls im Moment.«
    »Ist schon okay.«
    Langsam ließ die Anspannung nach, und ich sah mich in dem dunklen Saal um. Gegenüber, auf der anderen Seite, war eine kleine Bühne mit Schlagzeug und Mikroständer. Vielleicht lag’s ja wirklich daran, daß ich aus der tiefsten Provinz kam, aber

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