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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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gibt nur eine einzige Aktivität, die einen typischen Thai dazu bringt, sieben Wochen lang zu Ihnen ins Haus zu kommen, besonders dann, wenn er Sie nie sonderlich leiden konnte. Der andere Vorteil des Kaufs von Rouletteausstattung besteht darin, die trauernden Hinterbliebenen mit Geld für die Mönche, das Essen und besagte Ausstattung zu versorgen und den engsten Anverwandten mit einer Handvoll Baht durch die schwierige Zeit nach der Totenwache zu helfen.
    Was erklärt, warum Lek und ich uns vor Nang Chawiiwans Wohnung im dritten Stock eines bescheidenen Gebäudes in der Soi 26 einfinden. Lek hat überprüft, ob es eine über die hintere Tür erreichbare Feuertreppe gibt. Durch lautes Hämmern gegen die vordere und ebenso lautes Brüllen des Wortes »Polizei« sorgen wir für eine sofortige Evakuation. Von der anderen Seite des Apartments hören wir das Trippeln von Sonntagsschuhen auf der schmiedeeisernen Treppe, dazu aufgeregtes Flüstern und Kichern. Das dauert etwa zehn Minuten, was bedeutet, dass sich ungefähr einhundert Gäste über die Soi aus dem Staub machen. Auf erneutes Hämmern öffnet eine erschöpfte, aber durchaus vital wirkende, gerade mal einsfünfzig große, trauernde Nang Chawiiwan in traditioneller Thai-Kleidung.
    Da ich ihr in diesen schweren Tagen keinen Kummer bereiten will, lasse ich sie Zeit schinden, bis der letzte ihrer Gäste das Weite gesucht hat. Nun bittet sie uns herein. Sie hat sich nicht die Mühe gemacht, die Rouletteausstattung zu verstecken; es gibt insgesamt fünf Tische. Clever, wie sie ist, hat sie die kleinen Münzstapel darauf nicht entfernt. Sie sieht zuerst das Geld an, dann mich, dann Lek, dann wieder das Geld.
    »Dies ist ein ernsthafter Verstoß gegen das Gesetz und wird mit einer Gefängnisstrafe geahndet«, teilt Lek ihr streng mit, während er einen kurzen Blick auf den Verstorbenen wirft, der mit über der Brust gefalteten Armen in einem bunt lackierten Kiefernholzsarg ruht: Er hat das ausgezehrte, grobe Gesicht eines Arbeiters, wirkt sogar so hager, dass ich mich frage, ob Nang Chawiiwan ihn nicht hat verhungern lassen. Ein schändlicher Gedanke, zugegeben, aber er drängt sich auf.
    »Entschuldigung«, sagt Nang Chawiiwan.
    Lek, der nie lange streng bleiben kann, betrachtet die Leiche mit unendlichem Mitgefühl. »Der Arme fühlt sich schon einsam«, sagt er. »Das spüre ich deutlich.«
    Nang Chawiiwan schnieft. »Deswegen hab ich’s gemacht. Ich musste es doch für alle attraktiv gestalten, ihm Gesellschaft zu leisten. Wie sonst hätte ich meine Verpflichtungen als Ehefrau erfüllen sollen?«
    Lek wendet sich hilfesuchend an mich, doch ich starre fasziniert den Leichnam an, als wäre er der erste, den ich zu Gesicht bekomme. Der Tod löst diese Woche merkwürdige Reaktionen in mir aus.
    »Nehmen Sie das Geld«, meint Nang Chawiiwan mit einem ungeduldigen Nicken in Richtung Roulettetisch.
    »Geld interessiert uns nicht«, teilt Lek ihr mit, immer noch bemüht, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    »Stimmt«, bestätige ich lächelnd. »Lassen Sie es lieber verschwinden – wenn es so offen herumliegt, könnte das falsch verstanden werden.«
    Nang Chawiiwan macht große Augen. »Sie nehmen kein Geld?« Ein Grinsen breitet sich auf ihrem Gesicht aus. »Ich hab immer gewusst, dass mein Toong ein guter Mensch ist, aber dass er ein solches Karma hat …! Man stelle sich das vor: eine Razzia von zwei Polizisten, die kein Geld nehmen!« Sie lässt die Münzen in ihrer Tasche verschwinden. »Er war praktisch ein arhat, ein Heiliger, und das ist der Beweis.«
    »Allerdings müssen Sie uns Ihren Ausweis geben«, sage ich. »Falls jemand fragt: Das war eine ernsthafte Razzia, die schief gegangen ist, weil wir nicht wussten, dass es hier eine Feuertreppe gibt.«
    »Gut.«
    »Und Sie machen das nie wieder, ja? Ich meine, Sie rufen nicht gleich, wenn wir weg sind, alle Gäste an, um Ihnen zu sagen, dass die Luft rein ist, oder?«
    »Natürlich nicht.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    »Tja, dann bleibt’s diesmal bei einer Verwarnung.«
    Sie sieht mich an. »Wollen Sie wirklich kein Geld? Dann hätte ich ein besseres Gefühl.«
    »Nein«, antwortet Lek, wieder streng, und deutet anmutig mit seinem langen Finger auf sie. »Vertrauen Sie uns einfach.«
    Das ausgezeichnete Karma des guten alten Toong versetzt sie in Begeisterung. Jetzt erinnert sie sich wieder, was für einen tollen Mann sie geheiratet und wie rührend er immer für sie gesorgt hat. Es passiert nicht

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