Der Bund der Drachenlanze - 12 Tina Daniell
tun?«
Der Minotaurus senkte seine riesigen Hörner. Als er
wieder aufsah, waren seine Augen groß und traurig. Sein
fauliger Atem überwältigte Tolpan regelrecht. »Ich weiß
nicht. Wahrscheinlich meine Freunde verraten«, fügte er
langsam, offensichtlich verwirrt hinzu.
»Freust du dich nicht auf den Zeitpunkt, wo Sargonnas
die Welt betritt?«
Dogz sah nach drüben, wo der Nachtmeister saß und
seine Zauberbücher las. Hinter ihm standen die Hohen
Drei.
»Doch«, sagte Dogz.
»Na, siehst du? Ich auch«, sagte Tolpan triumphierend.
Er klopfte Dogz auf die Schulter. »Mach dir nicht so viele
Gedanken, Dogz«, fügte der Kender hinzu. »Davon kriegst
du Runzeln auf der Schnauze.« Tolpan gähnte übertrieben.
»Jetzt werde ich etwas ausruhen. Das brauche ich dringend.«
Der Kender schloß die Augen. Einen Moment später
machte er eins wieder auf, um Dogz’ Reaktion zu beobachten.
Dogz hatte sich aufgesetzt und putzte mit sinnendem
Blick seine Waffen. Wie Tolpan zogen die Minotauren gewöhnlich klare Grenzen zwischen Freunden und Feinden –
den Kendern zum Beispiel. Dogz hatte Kender immer gehaßt, obwohl er noch nie einen gesehen hatte. Als er Tolpan
auf der Venora zum ersten Mal erblickt hatte, hatte er ihn
nicht einmal berühren wollen. Tolpan war für ihn schlimmer als ein Feind gewesen, eines der niedersten Wesen der
Schöpfung.
Aber nachdem er Tolpan gefangengenommen und eine
Menge Zeit mit ihm verbracht hatte, hatte Dogz den eigenartigen kleinen Wicht immer lieber gemocht. Er hatte seine
Tapferkeit unter der Folter und seinen Sinn für Humor in
lebensgefährlichen Situationen bewundert. Durch die Gespräche mit Tolpan hatte er viel über Solace und die
Freunde des Kenders erfahren – besonders den knurrigen
Zwerg Flint Feuerschmied und Tolpans Onkel Fallenspringer –, und er hatte sie allmählich auch als seine Freunde
angesehen.
Dogz hatte reichlich Verwandte, aber er hatte wenig
Freunde. Freundschaft war für ihn etwas ganz Neues, und
das hatte Tolpan ihn gelehrt.
Dann hatte Fesz Tolpan böse gemacht, und der Kender
hatte sich verändert. Er wurde fordernd. Es machte weniger Spaß, bei ihm zu sein. Vielleicht würde der böse Tolpan
dabei helfen, Sargonnas in die Welt zu bringen, aber Dogz
war sich nicht sicher, ob ihm der alte Kender nicht besser
gefallen hatte.
Dogz seufzte. Er beugte sich vor, um etwas Schmutz von
seinem Katar zu kratzen, einer langen Klinge an einem Hförmigen Griff. Er ölte und polierte seinen ungewöhnlichen
Dolch, während er lange angestrengt über das Thema
Freundschaft nachdachte.
Zwanzig Schritt weiter lief Kitiara in ihrem Holzkäfig
rastlos auf und ab. Ihren wachsamen Augen entging nichts.
Sie spitzte die Ohren, um Fetzen der Unterhaltungen um
sie herum aufzufangen, wenn Worte zu ihr herüberdrangen. Kit war nicht gerade begeistert von Kendern, aber ihr
hatte Tolpan, so wie er früher gewesen war, jedenfalls besser gefallen.
Der Nachtmeister hatte Sturm erwähnt, also war der Solamnier anscheinend noch am Leben. Und kürzlich hatte
Kit ihn auch von Caramon und Raistlin reden hören. Sie
waren unzweifelhaft alle irgendwo in der Nähe, und der
Nachtmeister befürchtete, sie könnten sich einmischen.
Dieser Gedanke zauberte ein schiefes Lächeln auf Kitiaras Gesicht.
Die Sonne stand am Zenit. Das Land wurde unter ihrer
Hitze gebacken, und die Erde brach auf. Den dickhäutigen
Minotauren schien das Klima wenig auszumachen. Dogz
säuberte und ölte sorgfältig seine Waffen. Die Minotaurenwachen am Rand des Lagers liefen auf ihren festgelegten Runden regelmäßig durch Kitiaras Blickfeld.
Der Nachtmeister saß an seinem langen Tisch, wo er die
Ingredienzien für den gewaltigen Zauberspruch morgen
abend überprüfte.
Einer der wenigen Vorteile von Kits engem Käfig war,
daß die Holzlatten über ihrem Kopf das schlimmste Sonnenlicht abhielten. Ihr Blick glitt zu dem verräterischen
Kender. Er hatte die Augen geschlossen. Tolpan Barfuß
schien friedlich zu schlafen.Während der Nachtmeister über seinem Spruch saß, dachte er den Augenblick seines
Triumphs vor fünf Tagen zurück – einen Tag, bevor sie die
Menschenfrau gefangen hatten –, als der Zeitpunkt für den
Spruch bestätigt wurde und Sargonnas sich dem Minotaurus gezeigt hatte.
Er war zur Mittagszeit oben auf dem Bergplateau zwischen den farbigen Glasprismen, den Kristallen und den
silbernen Spiegelscherben gewesen. Aus ihnen las er die
Bewegung von Sonne und Sternen und
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