Der Bund der Illusionisten 1
verfügten die Sleczs über eine stoische Ruhe; die Gorklaks waren nicht annähernd so beherrscht. Selbst, wenn der Wind richtig schlimm wurde, schirmten die Sleczs die Augen mit den Fressarmen ab und stapften einfach weiter; die Gorklaks dagegen begannen, durchzudrehen und störrisch zu werden, brüllten immer wieder ihr Missfallen und ihre Anspannung heraus, während sie die groÃen Köpfe hin und her schwangen, als wäre es möglich, dem Wind mit den Nasenhörnern beizukommen. Die Legionäre hatten Probleme; einige wurden abgeworfen, andere mussten zusehen, wie ihre Reittiere einfach davonstürmten.
Es gab zwei Raststationen im Spalt; die eine klammerte sich an den Fuà der Südwand, die andere kauerte an der Nordwand. Keine war ständig besetzt. Der unaufhörlich heulende Wind hätte jeden Menschen in den Wahnsinn getrieben, der gezwungen gewesen wäre, dort dauerhaft zu leben. In der Nacht, die wir dort verbrachten, schlief niemand von uns viel. Ich vermute, dass alle an die Karawane der Legionäre dachten, die irgendwo auf diesem gepflasterten Weg verschwunden warâ¦
Der mühsame, einen Tag währende Aufstieg aus dem Tal kam uns nach der Hölle am Grund der Schlucht wie ein vergnüglicher Spaziergang vor, und im Vergleich dazu wirkte der Rest der Reise fast wie ein unbekümmerter Urlaub.
Aemid weinte, als sie Madrinya sah. Obwohl sie hier geboren und aufgewachsen war, war dies nicht mehr der Ort ihrer Kindheit. Die alte Lehmziegelstadt mit den braunen Gebäuden und den ruhigen Brunnenplätzen war durch Krieg und Eroberung zum gröÃten Teil zerstört. Gebäude aus weiÃem tyranischem Marmor und pinkfarbenem Stein dräuten jetzt wie plumpe Ungeheuer dort, wo einmal ein bewaldetes Ufer gewesen war. Die früher einst eleganten kardischen Gebäude zerfielen allmählich und erinnerten an das Gewirr von Tyr, mitsamt zugemüllten Abwasserkanälen, Ungeziefer und dem Gestank nach Armut. Sogar ich verspürte einen Stich, als ich vom Rücken meines Sleczs aus zum ersten Mal die Stadt erblickte. Sie wirkte fremdartig, wie eine Wucherung auf dem Land.
» Die Pavillons sind weg«, flüsterte Aemid, während wir durch die Vororte der Stadt ritten.
» Was waren die Pavillons?«, fragte ich.
» Der Palast⦠und andere Gebäude. Hier haben sie immer gestanden.« Sie deutete auf die Stelle, an der sich jetzt ein aus Stein errichtetes Stadion befand. Tränen waren auf ihren Wangen zu sehen. » Die Magoroth sind dort gestorben«, fügte sie flüsternd hinzu. » In den Pavillons.«
Ich sah zu ihr hin und verspürte plötzlich ein Gefühl der Angst. Sie hatte die Reise schon so nicht gut überstanden, und jetzt schien der Schock über den Anblick des gegenwärtigen Madrinya, das mehr dem Exaltarchat ähnelte als der kardischen Stadt ihrer Jugend, ihren Körper und Geist noch mehr zusammenschrumpfen zu lassen. Fast so, als glaubte sie, dass sie weiterem Schmerz entkommen könnte, indem sie kleiner wurde und weniger wütend. Ich spürte eine tiefe Niedergeschlagenheit, die wie eine schwarze Wolke über ihr schwebte und ihren Geist verdunkelte.
» Wir werden schon bald die Residenz des Statthalters erreichen«, sagte ich und versuchte, mir meine Besorgnis nicht anmerken zu lassen. » Dort kannst du dich ausruhen. Ich werde dafür sorgen, dass sich jemand um dich kümmert.« Ich warf Brand einen Blick zu und vergewisserte mich, dass zumindest er sich nicht verändert hatte. Er hatte den gröÃten Teil der Reise ebenso genossen wie ich und ritt jetzt mit der gleichen leichten Anmut auf seinem Slecz, wie er es auf einem Pferderücken zu tun pflegte.
Trotzdem hatte sich in unserer Beziehung etwas verschoben seit der Nacht in seinem Zimmer. Er mochte zwar noch der Gleiche sein, aber es fiel mir schwerer, ihn in erster Linie als Sklave und erst in zweiter als Mann zu sehen. Als Mann mit den Begierden und Bedürfnissen eines Mannes; als Mann, der mich zunächst als begehrenswerte Frau und dann erst als seine Besitzerin sah. Ich verdrängte die beunruhigende Vorstellung rasch wieder. Das war eine Komplikation, mit der ich in diesem Moment nichts zu tun haben wollte, nicht angesichts der Aufgabe, die ich unter ohnehin schwierigen Umständen zu erledigen hatte.
Ich griff stattdessen hinter mich und berührte die Waffe, die ich quer über dem hinteren Teil meines
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