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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schulligen
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Deutlich konnte Laetitia an seiner Miene ablesen, wie sehr ihm missfiel, dass Laetitia nicht im Saal geblieben war. Auch sie selbst überkam nun ein Gefühl des Unbehagens. Sie hätte Rupert nicht allein lassen sollen! Reue trieb sie umgehend zurück. Dort fand sie Rupert vor der Kammertür in einer Haltung gelassener Langeweile.
    Er lehnte mit Rücken an der Wand, sich die Zeit verkürzend, indem er mit gespitzten Lippen ein Liedchen pfiff. »Nun, meine Liebe, die Spannung steigert sich ja ins Unermessliche bis wir die vermeintliche Augenzeugin endlich hören können. Ich hoffe nur um Eures Wohles willen, dass diese Brigitta auch etwas Interessantes zu berichten weiß. Andererseits, sogar wenn sie das tut: Wer glaubt schon einer Hure?«
    Auf Laetitias Gesicht bildeten sich rote Flecken. Gerne wäre sie dem überheblichen Kerl an die Gurgel gesprungen. Nur weil Brigitta einer Tätigkeit nachging, die als unehrbarer Beruf galt, musste das noch lange nicht heißen, dass sie log. Laetitia sandte ein stummes Stoßgebet zum Himmel: Wenn Brigitta wenigstens zugeben würde, dass es ein Mann gewesen war, den sie am Abend des Mordes beobachtet hatte! Das würde vollkommen ausreichen, um Margund zu entlasten. Während Rupert sich damit amüsierte, weitere bissige Bemerkungen fallen zu lassen, hätte Laetitia am liebsten sofort die Tür aufgebrochen, um Brigitta zu befragen. Doch musste sie sich gedulden, bis Wilhelm endlich, gestützt auf die Arme von Karolina und Sebastian, angehumpelt kam, und auch die Wachleute einige Schemel und Stühle heranschleppten.
    Dann war es so weit. Einer von Alberos Männern entriegelte auf ein Zeichen Wilhelms die Tür und betrat gemeinsam mit dem anderen Wachmann die Kammer, in der die Hure auf ihre Vernehmung wartete. Doch bevor es zur Befragung kam, drangen aus der Kammer eigentümliche Geräusche nach draußen. Eine seltsame Ahnung beschlich Laetitia. Sie spürte mit untrüglicher Gewissheit, dass etwas geschehen war, etwas Schlimmes und Unerklärliches. Dass sie mit ihrem Verdacht recht behalten sollte, verrieten die wächsernen Gesichter der Wachleute, die schon nach wenigen Momenten wieder aus dem Zimmer herausstolperten und verstört die Tür hinter sich zufallen ließen. Während sich ein Wachmann vor der Tür hektisch zu allen Seiten umwandte, seinen Blick angstvoll in jeden Winkel der Halle und an die Decke sendend, tuschelte der andere Wilhelm etwas ins Ohr. Mit verkniffener Miene lauschend, klappte Wilhelm den Kiefer herunter: »Das ist völlig unmöglich, ganz ausgeschlossen!« Seinen Protest begleitete ein ungläubiger Gesichtsausdruck. Mit einer ruckartigen Geste wies er an, die Tür wieder zu öffnen, befahl danach einen Wachmann an seine Seite, um gestützt auf dessen Arm über die Schwelle zu gelangen. Sein verkniffener Mund verriet, dass er starke Schmerzen litt.
    Nur wenige Sekunden vergingen, ehe ihm ein heiserer Schrei entfuhr, der Laetitias Körper mit einem Frösteln überzog. Einen Atemzug später drängten sich bereits die anderen in die Kammer, vorneweg Rupert. Auch Laetitia ertrug die Spannung nicht mehr. Das Herz voll finsterer Erwartung folgte sie mit steifen Gliedern. Regungslos standen Karolina und die drei Männer in einem Halbkreis und starrten auf den Boden. Wilhelms Atem ging schwer und er presste sich ein Tuch über Mund und Nase. Zu Füßen der schreckensbleichen Betrachter lag, die Augen unnatürlich zur Decke gerichtet, Brigitta, aus deren Brust der Knauf eines Messers ragte. Es bestand kein Zweifel, dass hier kein Medicus mehr helfen konnte: Brigitta war tot.
    In eigentümlicher Ruhe, die sie selbst als befremdlich empfand, betrachtete Laetitia die längliche Kammer, die sich bis auf Tisch und Stuhl als vollkommen leer erwies. Es gab nur drei Fenster von so schmaler Form, dass nicht einmal der magere Körper eines Gassenjungen sich hindurchzwängen könnte. Flankiert wurden sie von Talglichtern, die den kahlen Raum ausleuchteten, dessen einziger Schmuck aus einer Ebenholzvertäfelung von Decke und Wänden bestand. Laetitias Kehle schnürte sich zu. Erst jetzt traf sie wie ein Schwerthieb das nackte Entsetzen, das sie zuvor beim Anblick der Leiche nicht sogleich empfunden hatte. Kalter Schweiß trat ihr aus den Poren und sie hatte das Gefühl, wie in einem Albtraum zu fallen. Halt suchend stützte sie sich an der Wand ab, doch es gelang ihr nicht, sich wieder zu fangen. Sie sank in die Knie.
    Wie um alles in der Welt hatte jemand Brigitta hier töten

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