Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
aber … «
»Nichts aber. Habt Ihr nicht gesehen, dass es ein Küchenmesser war, das Brigitta in der Brust steckte? Welcher Dämon hat es schon nötig, in der Küche vorbeizuspazieren und einem Knecht ein Messer zu entwenden? Nein, hier war keine übernatürliche Macht zugange – im Gegenteil, ich bin absolut davon überzeugt, dass der Täter mit beiden Füßen ganz fest auf der Erde steht.«
Erst wollte Laetitia widersprechen, doch dann erschien ihr selbst unsinnig, was sie zuvor gesagt hatte.
»Brigitta ist weder von Gott gestraft noch vom Teufel geholt«, führte Sebastian fort, »sondern schlichtweg umgebracht worden. Umgebracht aus einem einzigen Grund. Nämlich, weil sie das Gesicht von Burkhards Mörder gesehen hat, das ist doch klar wie Quellwasser. Und – so unmöglich zu sein es momentan auch den Anschein haben mag – ich glaube ganz fest, dass es für alles eine natürliche Erklärung gibt.«
»Auch dafür, wie der Täter in diesen verschlossenen Raum hinein gelangte, ohne dass Ihr oder ich oder irgendjemand sonst es bemerkt hat?«
»Auch dafür!«
Die Heftigkeit, mit der Sebastian ihr seine Ansichten entgegenschleuderte, erstaunte Laetitia. Vor allem, weil er beim Auffinden der Leiche recht ruhig reagiert hatte. Eins machte sein zorniger Ausbruch auf alle Fälle unmissverständlich klar: Jeder Versuch, ihn von seiner Überzeugung abzubringen, würde kläglich scheitern. Wie in Fels war seine Ansicht gehauen, dass Burkhards Mörder ein zweites Mal zugeschlagen hatte: diesmal, um sich des Augenzeugen für sein erstes Verbrechen zu entledigen.
Und welcher Bösewicht würde nicht so handeln?, stimmte ihm Laetitia in Gedanken zu, während sie sich Sebastian anschloss, der seine Schritte entlang der Ludolf´schen Mauer in Richtung des Doms lenkte. Wenn er recht hätte – und aller Wahrscheinlichkeit nach war das so – und ein Mörder aus Fleisch und Blut Brigitta auf dem Gewissen hatte, so gesellte sich ein weiteres Rätsel zu den vorherigen. Warum hatte der Bösewicht so lange gewartet, bis er Brigitta tötete? Die Gefahr, dass sie ihn verriet, bestand doch schon seit dem er Burkhard umgebracht hatte und nicht erst seit heute. Warum hatte er Brigitta nicht gleich beseitigt?
Laetitia zog die Stirn kraus. Wie sie es auch drehte und wendete, leuchtete als Erklärung nur ein, dass der Täter sich anfangs in Sicherheit gewogen haben musste. Er hatte wohl vermutet, dass Brigitta nicht die geringste Absicht hegte, ihn zu verraten. Vielleicht kannte er sie und teilte Sebastians Meinung über ihren Charakter? Hatten Täter und Zeugin womöglich stillschweigend eine Art Abkommen getroffen? Man ließ sich gegenseitig in Ruhe, alles blieb im Dunkeln, keiner behelligte den anderen. Natürlich änderte der Täter seine Einschätzung sofort, nachdem bei der Anhörung Brigittas Name fiel und klar wurde, dass man sie suchen würde. Und sobald man sie fand , würde sie reden. Unter der Folter machte früher oder später jeder den Mund auf.
Es traf Laetitia plötzlich wie ein Keulenschlag: Ihre eigene unbedachte Äußerung über die Zeugin mit dem flammend roten Haar hatte den Mörder unter Zugzwang gesetzt: Er hatte handeln müssen. Es wäre klüger von ihr gewesen in einem vertraulichen Gespräch nur Wilhelm und Rupert von der Augenzeugin zu berichten, nicht jedoch vor den neugierigen Beobachtern im Zehnthaus. Nervös nestelte Laetitia an ihrem Gewand herum. Ihre Gedanken zu ordnen versuchend wandte sie sich an Sebastian: »Margund hat mir vorhin im Kerker sehr viel berichten können. Aufgrund dessen bin ich zu folgender Überzeugung gelangt: Burkhards Erpressung galt jemandem, den er als Verräter im Verdacht hatte. Als Verräter bei Heinrichs Angriff, der das Leben seiner Söhne forderte.«
Sebastian starrte sie entgeistert an. »Verrat in der Maximiner Fehde?«
»Ja, Verrat an Albero, Verrat an ganz Trier.«
Ein Schatten flog über Sebastians Gesicht. Er murmelte etwas Unverständliches vor sich hin und die Linien entlang von Nase und Mund wirkten weitaus schärfer als zuvor. »Eine seltsame Sache war es schon damals«, meinte er. »Auch mich stimmten die Ereignisse nachdenklich. Wir hatten großes Glück, dass es bei Heinrichs neuerlichem Angriff nicht zum Äußersten gekommen war. Nachdem bereits zuvor so viele junge Männer ihr Leben verloren hatten, wäre zumindest am Folgetag eine bessere Verteidigung der Stadt möglich gewesen. Wie oft habe ich mir das vorgeworfen – aber nachher ist man immer
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