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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schulligen
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den zentralen Punkt von Edgars Haus ein Turm, dessen wehrhafte Zinnen in den Nachthimmel ragten. Für einen winzigen Moment durchzuckte das Wort ›Tour‹ Laetitias Gedanken, aber dann schüttelte sie den Kopf und folgte Sebastian durch das Tor in ein Nebengebäude, in dem sich die Küche befand.
    Bald tanzten die Flammenzungen von Talglichtern auf und warfen ihre Schatten in bizarren Bildern an die Wand. Laetitia und Sebastian steckten die Köpfe dicht zusammen, jeder darauf bedacht, als Erster die Person zu entdecken, die das Amulett mit der silbernen Lanze verloren haben konnte. Namen über Namen von hochgestellten Herren, die sich im September des Jahres 1136 unter dem Befehl des Kaisers nach Italien aufgemacht hatten, reihten sich aneinander. Laetitia zitterten die Hände vor Anspannung: Wenn sie richtig lagen mit ihren Überlegungen, hörte auf einen der vielen Namen in diesen Aufzeichnungen der Mörder. Aber auf welchen?
    Das eifrige Glimmen in Laetitias Augen erlosch nach einer Weile, denn an keiner einzigen Stelle des Textes fand sich ein Verweis auf die zwölf Männer, die zum Zeichen ihrer Treue unter der Bezeichnung ›Die silberne Lanze‹ einen Bund geschlossen hatten. Was sollten sie nun mit all diesen Namen anfangen? Wenn es nicht gelang, einen Zusammenhang zwischen ihnen und dem Amulett herzustellen, kamen sie keinen Zoll weiter. In ihre Enttäuschung mischte sich Unverständnis für Sebastians gute Laune. Warum nur benahm er sich geradewegs so, als habe er des Rätsels Lösung gefunden? Anerkennend murmelte er hier und da einen Namen vor sich hin, während sein Zeigefinger in unermüdlichem Eifer über jede einzelne Buchstabenreihe glitt.
    »Meine Güte, das sind Namen von Männern, die aus dem gesamten Königreich stammen!«, stieß Laetitia hervor. »Kein einziger Hinweis auf die silberne Lanze! Geschweige denn ein Anhaltspunkt über eine Verbindung zu Petrus Abaelardus oder Burkhard! Die Zeit zerrinnt und Wilhelm wird mit seinem Urteilsspruch nicht ewig warten!«
    »Aber nun beruhigt Euch doch«, entgegnete Sebastian. Dabei fasste er sie mit der Linken am Kinn und hob ihr Gesicht sanft an, aber Laetitia schob seine Hand trotzig von sich. Sebastian, den ihre Reaktion offenbar mehr amüsierte als verärgerte, zuckte die Achseln. »Natürlich ist die Liste der Namen lang. Dennoch wird es uns sicherlich gelingen, sie auf eine überschaubare Anzahl zu kürzen. Wir müssen einfach vernünftige Ausschlusskriterien anwenden.«
    »Vernünftige Ausschlusskriterien? Ganz schön mühselig.«
    »Aber irgendwo müssen wir ja anfangen. Garantiert haben einige Männer ihr Leben bei der Heerfahrt gelassen – das ist leicht herauszufinden und wird die Liste entscheidend verkürzen.«
    »Das stimmt schon«, murmelte Laetitia. »Und die meisten anderen leben ohnedies so weit von Trier entfernt, dass wir sie außer Acht lassen können. Wir konzentrieren uns auf diejenigen, die im Umkreis von ein paar Meilen leben.«
    »Genau, nach und nach müssen wir uns systematisch zu einem überschaubaren Kreis hinarbeiten.«
    Sebastian zündete ein zweites Licht an, in dessen Schein sie weiterlasen. Laetitias Missmut wich zusehends Zuversicht. Sobald die Liste erst einmal geschrumpft war, galt es, Burkhards Hinweis auf den Turm zu berücksichtigen. Wenn herauszufinden gelänge, ob einer von den verbleibenden Männern mit einem der Trierer Türme in Verbindung zu bringen war oder aber vielleicht einen Turm im Wappen trug, könnten sie den Kreis der Verdächtigen weiter einschränken. Ein mühsames Stück Arbeit stand ihnen bevor, doch versprachen ihre Anstrengungen durchaus Aussicht auf Erfolg. Allerdings musste das bis morgen warten, der heutige Tag hatte ihnen entschieden genug abverlangt. Laetitia strich sich über die Lider, denn ihre Augen brannten vor Müdigkeit und dem Lesen unter dürftigen Lichtverhältnissen wie Feuer. Trotz der Erschöpfung kehrten ihre Gedanken zum Schreibsaal zurück. »Eigenartig, dass Gerwin sich offenbar für dieselbe Sache interessiert wie wir«, murmelte sie, während sie die Schrift sorgsam zusammenrollte.
    »Ja, das kommt mir ebenfalls mehr als seltsam vor«, stimmte ihr Sebastian nachdenklich zu. »Wir können es als Zeichen dafür werten, dass wir wohl die rechten Überlegungen anstellen. Offenbar denkt Gerwin ähnlich wie wir, aus welchem Anlass auch immer.«
    »Fraglich ist nur, ob er die Unterlagen und damit die Hinweise nicht eher beiseiteschaffen wollte, als sie zur Wahrheitsfindung

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