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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schulligen
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ich mir: Sebastian, du musst unbedingt mit Gerwin sprechen und ihm Vaters beste Empfehlungen überbringen. Gestern hatte ich ja beinahe die Gelegenheit dazu. Doch wart Ihr ganz offenbar in größter Eile. Daher wollte ich Euch nicht aufhalten.«
    Erlöst stieß Laetitia Luft aus. Sebastian stand breitbeinig, die Hände in die Seiten gestützt, wenige Schritte entfernt von ihr. Die Sterne warfen gerade genug Licht, dass sie das grimmige Gesicht des Schreibers erkennen konnte, dem Sebastians Erscheinen wenig willkommen war. Sie zog ihren Kopf zurück und lehnte sich gegen die Mauer. Die Anspannung in ihren Schultern löste sich.
    »Mein Vater gibt nämlich am Sonntag ein Fest«, hörte sie Sebastian sagen, »und würde sich überglücklich schätzen, wenn Ihr ihm die Ehre erweisen würdet. Aber Ihr seid ja etwas außer Atem – Ihr scheint schon wieder in großer Eile zu sein und … «
    Mehr konnte sie nicht verstehen, denn Sebastian hatte Gerwin am Arm gefasst und sachte, aber bestimmt, mit sich davongezogen. Bloß weg hier, bevor zu allem Übel der Circator durch das Gerede aufmerksam wird. Laetitia schlich auf das Tor zu und tatsächlich war das Glück mit ihr. Vom Torwächter, der sich offenbar aufs Ohr gelegt hatte, war keine Spur zu sehen, sodass sie unbemerkt über die Mauer klettern und entwischen konnte. Sie hastete weiter und hielt erst inne, als sie das Marktkreuz erreicht hatte. Außer Atem sank sie auf die zweite Stufe des Podestes, auf dem sich die schlanke Säule des Marktkreuzes erhob.
    Laetitia horchte nach verdächtigen Geräuschen in die Nacht, doch heute schien Gott sich wirklich von seiner gnädigen Seite zu zeigen: Alles blieb totenstill. Nur das sachte Rauschen des Fischbaches war zu vernehmen. Das vertraute Plätschern half Laetitia, zur Ruhe zu kommen. Völlig erschöpft, aber dankbar, es geschafft zu haben, lehnte sie sich zurück. Dann wischte sie sich über das schweißnasse Haar und sah an der Säule empor, die über einem mit stilisierten Blüten dekorierten Kapitell das Kreuz mit dem Lamm Gottes trug. Seit knapp zweihundert Jahren wachte es über das geschäftige Treiben des Hauptmarktes. Wie seltsam sich die ungewohnte Ruhe an diesem Ort ausnahm. Geradezu geisterhaft schwieg der Marktplatz um diese Zeit, vom Sternenhimmel in ein feinsilbriges Licht getaucht. Obwohl Laetitia nicht ganz geheuer war, wollte sie hier warten. Früher oder später würde Sebastian auftauchen. Der Markt lag auf der Strecke zum Stift und dass sie nachts nicht allein dort hinlaufen wollte, konnte für ihn nicht schwer zu erraten sein.
    Würden die dürftigen Strahlen vom Firmament wohl zum Lesen ausreichen? Ungeduldig nestelten Laetitias Finger die Schriften unter ihrem Umhang hervor. Ob Sebastian Gerwin losgeworden war?, fragte sie sich beim Aufrollen des Pergaments besorgt. Noch bevor sie zu lesen beginnen konnte, vernahm sie ein Geräusch. Schritte. Sehr eilige Schritte, die sich dem Hauptmarkt näherten. Gott sei Dank, Sebastian war es gelungen, Gerwin abzuschütteln. Über Laetitias Lippen huschte ein Lächeln. Doch ihre Erleichterung währte nicht lange, denn etwas mutete ihr seltsam an. Warum tönten die Fußtritte aus einer anderen als der erhofften Richtung? Die Geräusche nahten von der Porta Nigra im Simeonstift her, genau entgegengesetzt der Richtung, aus der sie Sebastian erwartete. Überhaupt klangen die Schritte nicht recht kurz und abgehackt, also eher wie die einer Frau? Höchst seltsam. Welche Frau nur mochte sich nachts ganz allein auf den Weg gemacht haben? Das barg nicht wenig Gefahr bei dem ganzen dubiosen Volk. Beunruhigt rutschte Laetitia um eine Stufe des Sockels nach unten und duckte sich. Ihr war wohler zumute, wenn sie im Schutz des Marktkreuzes verborgen blieb. Vorsichtig lugte sie hinter der Säule hervor. Bald schon sah sie wenige Armlängen von sich entfernt die Silhouette einer hohen Gestalt. Unter der Kapuze ihres Mantels zeigte sich im fahlen Mondlicht ein blasses Gesicht, über dessen rechtem Kieferknochen sich ein violettes Feuermal bis zum Ohr hinzog. Karolina!
    Was hatte sie so spät in den Gassen verloren? Noch dazu ganz allein. Den Gedanken, dass sie sich in Vertretung der Schwester Botanikerin auf dem Weg zu einem Kranken befände, verwarf Laetitia rasch. Für diesen Fall hätte die Nonne gewiss eine Novizin in ihrer Begleitung, die sie bei der Krankenpflege unterstützen sollte. Auch trüge sie den hellen, bauchigen Lederbeutel, in dem sie stets ein Sortiment an

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