Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
die Gitterstäbe zuließen; er zischte, spuckte und verhöhnte den Magier.
»Du bist dem Tode nahe, Dordovaner, du bist dem Tode nahe.«
Der Magier blieb so ruhig, wie es eben möglich war, und ließ die Tür keinen Moment aus den Augen. Die ausgewählte Mana-Form war beinahe vollendet und konnte blitzschnell vervollständigt werden.
Das spöttische Keckern hörte auf.
»Jetzt«, zischte der Hausgeist. Er drehte sich um und bedeckte den Kopf mit den Schwingen, was der Magier jedoch nicht bemerkte. Vielleicht wäre er gewarnt gewesen, wenn er es gesehen hätte. Vielleicht.
Das Fenster hinter ihm zersprang, Glas und Holzsplitter flogen nach drinnen. Herein kam Denser auf flatternden Schattenschwingen und landete mit den Füßen voran mitten im Raum.
Der Magier, erschrocken nach der unerwarteten Explosion in seinem Rücken, hatte sich erst halb erhoben und umgedreht, als Densers Faust schon seinen Kiefer traf. Er taumelte zurück, seine Konzentration war gestört, der Spruch war verloren, und er konnte sich gegen den nächsten Schlag auf seine Nase und den Stiefeltritt in seinen Bauch nicht wehren. Er brach auf dem Boden zusammen und rutschte zu der Tür, durch die Denser hätte eintreten sollen.
Der Xeteskianer baute sich über ihm auf, zog ihn auf die Füße und starrte ihn mit dunklen, hasserfüllten Augen an.
»Hilfe wird kommen, du kannst uns nicht alle besiegen«, sagte der Dordovaner.
Denser lachte ihn aus. »Zu spät für dich.« Ein Kopfstoß ließ die Lippen des Dordovaners aufplatzen und sein Blut spritzen. Denser zerrte ihn zum Mana-Käfig.
»Du wirst ihn nie aufbekommen«, verkündete der Dordovaner trotzig. »Und ich werde lieber sterben, als dir zu helfen, dieses Biest zu befreien.«
»So ein Dummkopf bist du.« Denser sprach jetzt leise und zog den anderen Mann dicht an sich heran. »So unendlich blind. Eine Magie, ein Magier.« Er ließ den Mann los und öffnete den Verschluss. Der Mana-Käfig löste sich auf, und die geballte Wut raste heraus.
21
Jandyr starrte durch das Tor zum Haus, das teilweise hinter Bäumen und anderen Gebäuden verborgen war. Im Kolleg von Dordovan schien alles ruhig zu sein. Auf der Straße davor war nicht viel Betrieb, und der Wächter am Tor schien sich kaum um ihn zu kümmern.
Er wusste nicht recht weiter. Um diese Stunde ließ man ihn nicht mehr ins Kolleg ein, doch er fasste die Ruhe als Anzeichen dafür auf, dass nach der Gefangennahme der Katze nichts weiter passiert war. Also konnte er nur abwarten und sehen, was sich ergab.
Vom Stadtzentrum her hörte er Rufe. Dann näherte sich Hufgetrappel.
Ein kurzer, stechender Kopfschmerz ließ Erienne taumeln. Sie presste sich die Hände an die Schläfen und sank auf die Knie, weil sie einen Moment lang das Gleichgewicht verlor. Sie fühlte sich benommen und schloss die Augen. Sie hörte, wie Will ihr zu Hilfe eilte.
»Bei den Göttern, das hat wehgetan«, stotterte sie und schüttelte den Kopf, als das Kreischen im Kopf nachließ.
Allmählich wurde sie ruhiger und erforschte die Mana-Spuren, die kreuz und quer durch den Turm liefen, um die Störung zu finden. Der Ausgangspunkt der Unruhe befand sich im höchsten Stockwerk des Turms, und als sie ihn gefunden hatte, keuchte sie unwillkürlich.
»Da ist ein Xeteskianer im Turm«, knirschte sie, fassungslos angesichts der Tollkühnheit.
»Denser?«, fragte Will.
»Wer sonst?« Sie richtete sich mühsam auf. »Er dürfte inzwischen alle Magier im Gebäude aufgeweckt haben.« Sie wandte sich an Thraun. »Was du auch vorhast, mach schnell. Wir haben keine Zeit mehr.« Thrauns Enthüllung über seine wahre Natur hatte Erienne schockiert, beantwortete zugleich aber auch viele offene Fragen. Wie sonst sollte es ihm möglich sein, im Dunklen wie ein Elf zu sehen? Wie sonst konnte er Spuren lesen und sich so leise bewegen wie ein Tier auf der Jagd? Sie wusste nicht recht, ob sie Furcht, Faszination oder Abscheu empfinden oder einfach nur über ihn staunen sollte.
Thraun begann sofort, sich auszuziehen.
»Hör zu, Erienne, die Umwandlung geschieht rasch, doch die meisten Menschen finden sie entsetzlich. Du kannst gern wegschauen, wenn du willst. Ich werde nicht beleidigt sein, weil ich es überhaupt nicht bemerken werde. Will, nimm meine Sachen mit, ich werde keine Zeit mehr haben, mich zurückzuverwandeln, wenn wir hier fertig sind.«
Will nickte. »Hoffentlich weißt du, was du da tust. Viel Glück.«
Als er nackt war, legte Thraun sich auf den Steinboden,
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