Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
löste den Schutzzauber aus und setzte eine Sirene in Gang, die durch den Turm hallte und Wills Ohren fast zerspringen ließ. Thraun, der hinter ihm war, kläffte erschrocken und rannte schnell an ihm vorbei, sprang die Treppe hoch und überholte Erienne, als diese die Tür öffnete.
Die Halle war leer, doch als der Alarm verhallte, waren aus allen Richtungen zornige Stimmen und Bewegungen zu hören. Thraun rannte zur Vordertür und kratzte hilflos an den Griffen. Erienne war nur ein paar Schritte hinter ihm. Beide konnten den herabstoßenden Hausgeist nicht mehr sehen, doch Will, der als Letzter die Gruft verließ, wurde mit einem Anblick konfrontiert, der schlimmer war als seine schlimmsten Alpträume.
Er hatte sich umgesehen, ob Feinde in der Nähe waren, und bemerkte, dass Erienne bereits die Vordertür öffnete, als sein Blickfeld vom blutverschmierten Gesicht des Dämons ausgefüllt wurde. Der Schädel pulsierte und wellte sich, das Geschöpf lachte schrill und hob eine Klaue, um zuzuschlagen, doch dann erkannte es Will. Es beugte sich vor und sagte:
»Komm schon, komm. Hinaus. Hinaus zum Tor.«
Will öffnete den Mund und kreischte.
Denser konnte alles verfolgen. Als Jandyr zum Stadtzentrum ritt, trat Sol auf den Wächter zu und brachte ihn
mit einem einzigen Schlag zu Fall. Er rannte zum Kolleg, das inzwischen in heller Aufregung war.
Gefolgt von einem riesigen Wolf stürzte Erienne aus dem Turm heraus, doch bevor Denser sich überlegt hatte, wie er das Tier davon abhalten konnte, sie einzuholen und zu töten, machte es wieder kehrt und verschwand im Turm.
Erienne strauchelte und drehte sich halb um sich selbst, während sie zum Tor rannte. Sie taumelte.
»Nein, nein!«, zischte Denser. Er flog zum Weg hinunter. Von überall kamen jetzt Magier, Wächter und Schüler herbei und schützten Erienne durch das Chaos, das sie veranstalteten. Einer half ihr sogar auf die Füße. Denser schoss zu Sol hinunter.
»Bring sie hinaus!«, rief er dem Protektor zu. Er wurde erkannt, zornige Rufe erhoben sich, und andere Rufe versuchten, Ordnung ins Chaos zu bringen. »Und finde meinen Gefährten. Ich muss Jandyr helfen.« Sol nickte, und Denser flog in den Himmel hinauf, um den Elf zu suchen, der auf Sols schnellem Pferd ritt.
Erienne lächelte den Magier an, der ihr aufgeholfen hatte, und rannte zum Turm zurück.
»Was ist los?«, fragte der Magier, der ihr folgte.
»Da ist ein Xeteskianer im Kolleg.« Sie rannte ins Haus und blieb abrupt stehen, als sie sah, was sich drinnen abspielte.
Thraun und ein Wesen, bei dem es sich um Densers Hausgeist handeln musste, umkreisten einander mitten in der Halle, von vier ungläubig staunenden Magiern umgeben. Das geflügelte Wesen schoss nach links, nach rechts, hoch und hinunter, während Thraun mit den Krallen nach ihm hieb und schnappte. Er hatte bereits einen tiefen Schnitt auf der Nase abbekommen. Will war nirgends zu sehen.
Eriennes einziger Gedanke, als sie die beiden rief, war, dass sie schlimm verletzt werden könnte. Doch es war keine
Zeit, etwas anderes zu versuchen. Sie rannte hinüber, bis sie vor Thraun stand, der wütend knurrte, als sein Ziel verdeckt wurde. Sie kehrte ihm den Rücken und schauderte, als der Hausgeist vor ihrem Gesicht heruntersank. Thraun setzte hinter ihr zum Sprung an.
»Nein, Thraun!«, befahl sie mit einem Blick über die Schulter. »Freund.« Es war das einzige Wort, von dem sie sicher war, dass er es verstehen würde. Etwas Unpassenderes konnte es kaum geben.
»Und du hörst sofort auf«, fauchte sie den Dämon an. Er grinste und kicherte und sah an ihr vorbei zum Wolf.
»Lass ihn in Ruhe, es ist Thraun«, warnte sie.
Der Dämon wich sofort zurück, das Grinsen verwandelte sich in einen Ausdruck der Überraschung. »Gestaltwandler …«, sagte er und atmete zischend aus.
»Ja, und jetzt mach, dass du hier herauskommst und deinen Meister findest, und wage es nie mehr, das Gelände dieses Kollegs zu besudeln.«
»Ja, Herrin«, sagte der Hausgeist und schoss zur Tür hinaus.
Erienne drehte sich um und sah sich den vier Magiern gegenüber, die den Bann des fassungslosen Staunens inzwischen halbwegs überwunden hatten.
»Du kennst diese … diese Dinger?«, fragte einer. Sie hatten die Mana-Spuren gelesen und sie als Dordovanerin identifiziert.
»Ich bin ihnen schon einmal begegnet«, sagte Erienne unwirsch. »Und in Zukunft werdet ihr hier nicht mehr belästigt werden, dafür werde ich persönlich sorgen. Aber jetzt
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