Der Bund: Dunkle Götter 2 (German Edition)
bemerkte ich, dass Pennys Sachen verschwunden waren. Anscheinend hatte sie in meiner Abwesenheit alles abgeholt. Also meinte sie es wohl ernst. Ich lag stundenlang wach, und als der Schlaf dann endlich doch kam, war er alles andere als geruhsam.
Ohne Rücksicht auf meine Gefühle begann ein strahlender, heller Morgen. Von mir aus hätte es regnen sollen, falls sich jemand die Mühe gemacht hätte, mich in dieser Angelegenheit um Rat zu fragen. Ich frühstückte auf dem Zimmer. Die Bedienung im Königspalast war ohne Zweifel besser als in Lancaster. Die Köchin des Herzogs hätte einen Gast, der Essen auf sein Zimmer bestellte, noch dazu zwischen den festgelegten Mahlzeiten, lebendig gebraten. Andererseits musste die königliche Küche viel mehr Gäste bewirten und verfügte vermutlich über eine ganze Mannschaft von Köchen, die sich die Arbeit teilen konnten.
Die Verhandlung war für neun Uhr angesetzt. Für mich war das eine schreckliche Zeit, aber ich nahm an, der König wollte unangenehme Dinge möglichst früh erledigt wissen. Adam tauchte auf und half mir beim Ankleiden. Er war ebenso geschickt wie Benchley, gab mir aber zu verstehen, dass ein wahrer Edelmann gefälligst seine eigenen Diener mitzubringen hatte. Danach war ich in Versuchung, ihn zu bitten, das Nachtgeschirr zu leeren, aber ich beherrschte mich.
Man erklärte mir, wo der Rat der Lords tagte, vor dem die Verhandlung stattfinden sollte. Allein – ohne Begleitung oder Wächter, vor allem aber ohne Penny – wanderte ich durch die Korridore. Als ich eintraf, meldete mich der Türsteher als »Seine Lordschaft, der Graf di’Cameron« an, und ein Diener führte mich zu meinem Platz. Erfreut sah ich, dass James und Genevieve ganz in der Nähe saßen. Wahrscheinlich bekamen wir benachbarte Plätze, weil ich sein Vasall war.
Der Sitzungssaal war groß, hatte eine gewölbte Decke und bot für fast einhundert Menschen Platz. Wenn ich »Menschen« sage, meine ich natürlich, dass diese Sitze den Adligen Lothions vorbehalten blieben. Die Zuschauer durften nur in den Galerien zu beiden Seiten der Haupthalle Platz nehmen. Der König saß in einer kleinen Loge etwas abseits hinter dem Hauptpodium. Theoretisch konnte er jederzeit eingreifen und alle Entscheidungen umstoßen, aber James gab mir zu verstehen, dass so etwas nur selten geschah. Die Verhandlung und die letzte Entscheidung lagen in den Händen des Earl of Winfield, der das Amt des Obersten Gerichtsherrn bekleidete.
Der Gerichtsherr war natürlich nicht der höchste Adlige; dies wäre James oder der Herzog von Tremont gewesen, offenbar war der Posten aber nicht erblich. Der König selbst wählte den Gerichtsherren aus und setzte ihn ein.
Ich beugte mich zu James hinüber. »Was wird hier passieren?«
»Zuerst eine Menge Zirkus, dann wird Tremont seine Anklage vortragen. Darauf antworte ich, und dann stellt der Gerichtsherr Fragen. Wenn nötig, rufen wir abwechselnd Zeugen auf. Ich hoffe, Ihr habt vor Eurer Ankunft den Abtritt aufgesucht.« Er zwinkerte mir zu.
»Wo ist Marc?«
James runzelte die Stirn. »Keine Ahnung. Ich habe ihm gestern eine Nachricht geschickt und ihn gebeten, hier zu erscheinen, aber seine Göttin hat wohl wichtigere Aufgaben für ihn, als für den Ruf seines Vaters einzutreten. Wo ist Penny?«
»Vielen Dank auch.« Es sah nicht gut aus, wenn die Hälfte unserer Zeugen nicht erschien. Der Zirkus, den James erwähnt hatte, erwies sich als noch langweiliger, als ich es mir vorgestellt hatte. Nach einigen Minuten voller Vorstellungen und Ansprachen hoffte ich nur noch, es sei bald vorbei. Dann kam Lord Winfield zur Sache.
»Ich glaube, Lord Tremont hat dem Gerichtshof eine Anklage vorzutragen. Bitte tretet vor und sprecht.« Der ältere Tremont folgte der Aufforderung. Er war ein kräftiger Mann, etwa in James’ Alter oder höchstens Anfang vierzig. Er strahlte Macht und Selbstvertrauen aus, was mich ebenfalls an James erinnerte.
»Ich stehe heute vor Euch, um Gerechtigkeit zu verlangen. Mein Sohn wurde getötet, als er sich bei den Lancasters aufhielt, und sein Mörder sitzt hier stolz unter uns und schämt sich seines Verbrechens überhaupt nicht.« Er zeigte hasserfüllt auf mich. »Nach den Berichten, die ich von Lancasters eigenen Dienern erhalten habe, ist mein Sohn zweimal von verschiedenen Angehörigen des Hauses bedroht worden. Zuerst drohte ihm der Mann, der ihn schließlich auch tötete«, abermals nickte er in meine Richtung, »und dann tat Dorian Thornbear
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