Der Canyon
studierte sie, prägte sich sämtliche Zimmer, Türen, Fenster, Telefonstandorte und Stellen ein, von denen aus man das Haus einsehen konnte. Schließlich hakte er alle Gegenstände auf seiner Liste ab, während er einen nach dem anderen an seinen Platz in den Rucksack packte.
Er ging zurück ins Haus, stellte den Rucksack an der Tür ab, goss sich eine zweite Tasse Kaffee ein, holte seinen Laptop, ging wieder hinaus und ließ sich auf dem Schaukelstuhl nieder. Er musste sich noch fast den ganzen Tag lang die Zeit vertreiben, und die konnte er ebenso gut sinnvoll nutzen. Er lehnte sich zurück, klappte den Laptop auf und fuhr ihn hoch. Während er wartete, zog er ein kleines Bündel Briefe aus der Hosentasche, nahm das Gummiband ab und fing mit dem obersten an.
Er arbeitete sich durch die Briefe, einen nach dem anderen, und übersetzte das saudumme Knacki-Gekritzel in akzeptable Texte. Zwei Stunden später war er fertig. Er schickte das Ganze als E-Mail-Anhang an den Webmaster, der seine Website betreute, einen Kerl, den er noch nie gesehen, mit dem er noch nicht einmal telefoniert hatte.
Er stand aus dem Schaukelstuhl auf, kippte den kalten Kaffee über das Geländer und ging hinein, um sich etwas zum Lesen zu suchen. Die Bücherregale waren voll von Biographien und Geschichtsbüchern, aber Maddox ließ sie stehen und sah sich stattdessen die kleine Auswahl an Thrillern an. Um sich die Zeit zu vertreiben, brauchte er etwas richtig Spannendes, das ihn von seinen Plänen für den Nachmittag ablenkte, die er bereits detailliert vorbereitet hatte. Er überflog die Titel, und sein Blick blieb an einem hängen: Eden – Tödliches Programm. Er zog es aus dem Regal, las den Klappentext und blätterte das Buch flüchtig durch. Dann nahm er es mit auf die Veranda, ließ sich im Schaukelstuhl nieder und begann zu lesen.
Der Schaukelstuhl quietschte rhythmisch, die Sonne stieg allmählich höher, zwei Krähen flogen aus einem nahen Baum auf, um durch die Geisterstadt zu schweben und mit einem krächzenden Schrei die Stille zu durchbrechen. Maddox hielt kurz inne, um auf die Uhr zu sehen. Fast Mittag.
Dies würde ein langer, ruhiger Samstag werden – aber mit einem echten Knaller am Ende.
10
Willer saß an seinem Schreibtisch, die Füße hochgelegt, und sah zu, wie Hernandez aus dem Archiv herüberwatschelte, eine dicke Aktenmappe unterm Arm. Seufzend ließ der Deputy sich in einen Sessel in der Ecke sinken und legte die Mappe auf den Schoß.
»Das sieht ja viel versprechend aus«, sagte Willer und wies mit einem Nicken auf die Akte. Hernandez war verdammt gut in solchen Nachforschungen.
»Ist es auch.«
»Kaffee?«
»Hätte nichts dagegen.«
»Ich hole Ihnen einen.« Willer stand auf, ging zur Kaffeemaschine, füllte zwei Plastikbecher, kam zurück und reichte Hernandez einen. »Was haben Sie?«
»Dieser Broadbent hat eine Vergangenheit.«
»Dann los, die Kurzfassung, bitte.«
»Vater war Maxwell Broadbent, Sammler im großen Stil. Ist in den siebziger Jahren nach Santa Fé gezogen, war fünf Mal verheiratet, hatte drei Kinder von verschiedenen Frauen. Ein Weiberheld. Hat durch den Handel mit Kunst und Antiquitäten viel Geld verdient. Das FBI hat ihn sich ein paar Mal vorgenommen, weil er Zeug vom Schwarzmarkt verkauft hat, und er wurde beschuldigt, Gräber geplündert zu haben, aber der Kerl war so aalglatt, dass sie ihm nichts nachweisen konnten.«
»Nur weiter.«
»Vor anderthalb Jahren ist was Seltsames passiert. Offenbar hat die Familie in Mittelamerika eine Art längeren Urlaub gemacht. Der Vater ist da unten gestorben, und die Kinder kamen mit einem vierten Bruder zurück, halb indianischer Abstammung. Die vier haben sich etwa sechshundert Millionen geteilt.«
Willer zog die Brauen in die Höhe. »Gab es einen Verdacht, dass da unten was nicht mit rechten Dingen zuging?«
»Nichts Definitives. Aber die ganze Geschichte ist ziemlich wirr, anscheinend weiß niemand so genau, was eigentlich passiert ist, es gibt nur Gerüchte. In seiner ehemaligen Villa wohnt jetzt der Indianersohn, ein Kerl, der esoterische Bücher schreibt. Angeblich trägt er Stammestätowierungen. Broadbent lebt ziemlich bescheiden und arbeitet hart. Hat letztes Jahr geheiratet, die Ehefrau heißt Sally, geborene Colorado. Stammt aus einer Arbeiterfamilie. Broadbent hat eine Großtierpraxis in Abiquiú, arbeitet mit einem Assistenten namens Albert McBride zusammen – der Kerl nennt sich selbst Shane.«
Willer verdrehte die Augen
Weitere Kostenlose Bücher