Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Costello
Vom Netzwerk:
Schrank des Fernsehzimmers. Schließlich fand er sie, noch
immer in ihrer ursprünglichen Verpackung, hinter einem Satz unbenutzter
Golfschläger. Seine beiden Frauen hatten ihm die kompakte, mit einem
Plastikgehäuse verkleidete Kamera im letzten Jahr zu Weihnachten geschenkt Er
hatte sie am ersten Weihnachtstag ausgepackt, einige Fotos von seinen Lieben
vor dem geschmückten Baum gemacht und den Apparat gleich wieder
    weggepackt.
Tatsächlich hatte er den Film immer noch nicht entwickeln lassen, die fast
unbenutzte Filmrolle steckte noch im Gehäuse. Wie praktisch! So brauchte er
keinen Film zu besorgen und konnte sich die Fahrt in die Stadt sparen.
    Als er das
Blitzlicht ausprobierte, stellte er fest, dass es noch funktionierte. Nach
einem flüchtigen Blick in die Bedienungsanleitung eilte er wieder nach draußen.
Kath begleitete ihn ein Stückchen.
    »Was willst du
damit ?« , fragte sie und deutete auf die knallgelbe
Kamera, die von seinem Handgelenk baumelte. »Ich muss da was unter dem Steg
überprüfen .« Kath verzog das Gesicht. »Dad, hast du
mir nicht gesagt, dass ich niemals da runtergehen soll? Ist das nicht gefährlich ?«
    »Nur für
kleine Mädchen.«
    Die Kamera
fest an sich gedrückt, tauchte Scott erneut in den See, machte ein paar
schnelle Stöße abwärts und wendete gleich darauf, um die Unterseite des Stegs
zu untersuchen. Von hier unten aus, mit den Füßen über der Felsplatte
schwebend, konnte er die vier verkrusteten Fässer und - trotz des trüben Lichts
- sogar ihr engmaschiges Rippenmuster erkennen. Jetzt konnte er auch die Embleme
mit den weißen Rosen ausmachen; sie waren ausgeblichen, aber unverkennbar die
Markenzeichen der alten White-Rose-Ölbehälter. Das alles sah, soweit er sich
erinnern konnte, der Zeichnung verdammt ähnlich. Allerdings konnte er von hier
aus kein Beweisfoto schießen. Die Skizze war aus größerer Entfernung und
tieferem Winkel gezeichnet gewesen.
    Scott
strampelte zurück zur Oberfläche, um tief Luft zu holen. Kath, die an der
Leiter stand und zu ihm hinuntersah, kniff ihr kleines Gesicht besorgt
zusammen. »Bleib nicht so lange da unten, okay ?« »Okay, mein Schatz.«
    Er kletterte auf den Anleger und winkte einem näher
kommenden Motorboot zu. Bob Anderson und Fred Mills kehrten gerade von ihrer
frühmorgendlichen Angeltour
    zurück. Mit
stolzem Grinsen hielt Bob eine Schnur hoch, an der einige fett aussehende
Hechte hingen. Mittlerweile kannte Scott ihre Gewohnheiten: Angeln von sieben
bis elf, danach zu Bob nach Hause, um belegte Brote und Bier zu vertilgen, dann
wieder raus bis vier Uhr nachmittags.
    Mit der Kamera
in der Hand und den Füßen voran schoss Scott wie ein Speer ins Wasser. Während
er hinabsank, hörte er das sanfte Tuckern von Andersons kleinem Außenbordmotor.
Innerhalb von Sekunden drang er bis zum Grund vor und landete auf der gleichen
glitschigen Felsplatte wie zuvor, inmitten von brusthohen Algen. Scott gab sich
alle Mühe, ihre Ekel erregenden Auswüchse zu ignorieren, und spähte stattdessen
zum Steg hinauf.
    Ja, bei Gott,
da war es! Genau das Muster, das er am Vortag auf der Zeichnung gesehen hatte,
das Muster, das die Erinnerung ausgelöst hatte: vier gerippte Fässer, die
ausgeblichenen Rosen und die geschwungenen Linien. Die Linien waren nichts
anderes als die Holzlatten des Stegs - von unten gesehen, verzerrt durch die
kleinen Wellen an der Wasseroberfläche.
    Scott richtete
die Kamera darauf und schoss ein Foto. Im grellen Weiß des aufleuchtenden
Blitzes wurde jedes Detail deutlich sichtbar.
    Direkt hinter
ihm verlief eine heimtückische Unterströmung und wuchs zu einem kalten Strom
an, dessen Algen wie Tentakel über seinen Rücken strichen. Als sich ein langer
Strang wie ein lose sitzender Gürtel um seine Taille legte, erschauerte Scott,
teils wegen der eiskalten Unterströmung, vor allem aber wegen des widerlichen
Gefühls, das dieses Seegras auf seiner Haut verursachte. Er duckte sich und
machte sich bereit für den schnellen Aufstieg zurück zur Wasseroberfläche
...
    In diesem
Moment glitt er aus. Sein rechter Fuß rutschte ab. Der glitschige, von Algen
überzogene Stein, auf dem er gestanden hatte, rollte ein Stückchen das steile
Gefälle des Seebettes hinunter und prallte so gegen einen Felsbrocken, dass er
Scotts Schienbein einklemmte.
    Panisch, als
habe ihn ein Blitzschlag getroffen, stierte Scott auf sein Bein. Als er lautlos
aufschrie, entwich ein Teil der so kostbaren Luft und blubberte an

Weitere Kostenlose Bücher