Der Chaos-Pakt
trottete hinter Sylenia her, die kleinen Sandalen wirbelten gelben Staub auf.
»Hältst du das für falsch, nachdem wir im Wald waren?«, fragte die rothaarige Heilerin. »Es könnte auch alles vergebens sein.«
»Das könnte es, aber was sind die Alternativen? Nach allem, was Ryba und wir schon getan haben, könnten wir uns anderswo keine Sekunde halten. Wir müssen es jetzt durchstehen und ich habe das Gefühl, wir haben das Schlimmste noch vor uns.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Warum denke ich das wohl?«
»Weil es immer so läuft.«
Er seufzte. »Es ist Zeit, meine improvisierte Destille und die improvisierte Schmiede zu überprüfen. Und natürlich die improvisierte Granatenfabrik und die improvisierte was weiß ich ...« Er starrte nachdenklich sein Schwert an. Das brauchte er nun wirklich nicht – oder?
»Nein! Lass mich in Ruhe!«
Keine zwei Dutzend Ellen von Nylan entfernt hatte sich ein vierschrötiger Bewaffneter an Sylenia herangemacht und hielt sie am Arm fest. Er lachte einmal, zweimal.
Das Kindermädchen warf den vollen Wassereimer nach dem Mann. Noch bevor der Eimer in sein Gesicht knallte, hatte Sylenia Weryl aufgehoben und rannte zum Wohnhaus.
Nylan sprang auf und näherte sich dem Bewaffneten.
Aus Richtung des Mannschaftsquartiers kam ein weiterer Mann in Sylenias Richtung gelaufen. Im Rennen zog er das Schwert. Eine Hand voll Rekruten sah sich wie in Zeitlupe um.
Während Wasser und Blut über sein Hemd liefen, zog Tregvo – denn kein anderer konnte es sein – seinen Prügel von Schwert und trabte hinter Sylenia her – und damit auch hinter Weryl.
Weryl! Fast ohne nachzudenken riss Nylan sein Kurzschwert aus der Scheide. Als Sylenia ihn erreichte, trat er einen Schritt zur Seite und warf sein Schwert, wobei er den Strom der Luft um das fliegende Schwarze Eisen glättete.
Die schwere Klinge traf Tregvo mitten in der Brust und ließ ihn zurücktaumeln. Der Mann stürzte zu Boden, festgenagelt von der Klinge. Der vierschrötige Bewaffnete öffnete den Mund, schloss ihn wieder, öffnete ihn ... und blieb mit gebrochenen Augen liegen.
»Beim Licht der Dämonen ...«
»... sehen, was passiert, wenn man einen Engel ärgert ...«
»... von Glück reden, dass er auf unserer Seite ist ...«
Sylenia stand auf der Türschwelle und zitterte trotz der Wärme. »... hat mir schreckliche Dinge gesagt ... was er ... was er tun würde ...«
»Enyah ...«, klagte Weryl. »Enyah.«
Ayrlyn legte der schwarzhaarigen Frau beruhigend die Hand auf die Schulter. »Schon gut, es ist vorbei.«
Aber das war es nicht, wie Nylan genau wusste, als er sich dem Toten näherte.
Tonsar erreichte die Leiche als Erster und wollte die Klinge herausziehen. Weder Schwert noch Leiche bewegten sich. Er zerrte heftig am Schwert und zog Tregvos Hemd weg. Metall funkelte darunter. Der Unteroffizier riss erstaunt die Augen auf.
Nylan blieb neben dem stämmigen Tonsar stehen und versuchte, die rasenden Kopfschmerzen zu unterdrücken. Im Lager einen Mann zu töten war das Letzte, das er gewollt hatte. Er bückte sich und barg sein Schwert, wischte es am Hemd des Toten ab und steckte es in die Scheide. Er musste blinzeln, nicht nur wegen der grellen, niedrig stehenden Sonne, sondern auch wegen seiner Kopfschmerzen.
»Ich bin froh, dass Ihr in der Nähe wart, Ser Engel«, sagte Tonsar. »Aber ich hätte ihn lieber selbst niedergestreckt.«
»Ich hätte Euch das gern überlassen«, sagte Nylan und er meinte es ernst. Sein Kopf pochte wie wild, die Augen tränten vor Schmerzen. Zum hundertsten Mal fragte er sich, warum es so war. Was war der Grund? Warum schlug jeder Tod so drastisch auf ihn und Ayrlyn zurück? Hing diese Empfindsamkeit mit der Fähigkeit zusammen, die Ordnungs-Felder des Planeten zu benutzen?
Und warum hatte er überhaupt ein Schwert dabei? Normalerweise trug er im Lager nie eine Waffe.
Hegte er einen unbewussten Groll gegen Fornal? Wäre Tregvo jetzt auch tot, wenn Nylan nicht am vergangenen Abend wegen Fornals Sticheleien wütend geworden wäre?
»Früher oder später hätte er auch mein Schwert kennen gelernt«, meinte Ayrlyn leise. Sie war fast unbemerkt neben ihn getreten. »Aber ich frage mich, warum er ein Kettenhemd trägt.«
Auch Nylan wunderte sich. War auch das eine von Fornals Intrigen, die dazu dienen sollte, allen anderen die Unberechenbarkeit der Engel vor Augen zu führen und zu beweisen, dass sie in die Rechte »richtiger« Männer eingriffen? Oder war es nur Zufall? Oder
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