Der Chaos-Pakt
vielleicht ein wenig übertrieben.«
Übertrieben? Ja, wahrscheinlich. Übertreibe ich nicht immer?
»Ach, hör auf damit«, sagte Ayrlyn müde. »Wir hatten keine andere Wahl und wir haben es gemeinsam getan.«
»Es ist schrecklich«, sagte Sylenia in der Dunkelheit. »Ringsherum ist nichts mehr am Leben. Nichts rührt sich.«
»Weryl?« krächzte Nylan.
»Er hat geweint, aber jetzt schläft er. Er ist ein unschuldiges Kind, wie meine Acora.«
Alle Kinder waren unschuldig, dachte Nylan. Weryl war es ganz sicher, aber als er an Ryba, Gerlich und Fornal dachte, wurde er nachdenklich. Er wusste es natürlich besser, aber bei diesen Menschen fragte er sich unwillkürlich, ob sie überhaupt jemals unschuldige Kinder gewesen waren. Er hörte, wie Sylenia sich bewegte und der rothaarigen Heilerin die Flasche reichte.
»Heilerin, Ihr müsst auch etwas trinken.«
»Danke«, sagte Ayrlyn nach einer Weile.
Sylenia gab die Wasserflasche Nylan zurück. »Noch einmal.«
Der Ingenieur trank, beim zweiten Mal ging es besser. Unterdessen schossen ihm unzählige Fragen durch den Kopf.
Wie viel Zeit hatten sie noch? Würden die Cyadoraner ihre gesamten Streitkräfte gegen ihn und Ayrlyn ins Feld schicken? Oder glaubten sie, die beiden Engel wären ebenfalls vernichtet worden? Wie auch immer, die Cyadoraner würden früher oder später weiter nach Norden marschieren, das war sicher. Er musste mit Ayrlyn zusammen etwas unternehmen. Aber was?
Noch während er das Problem zu überdenken versuchte, spürte er, wie die Augen immer schwerer wurden und zufielen, auch wenn er sich innerlich dagegen sträubte.
Schließlich, in der ersten grauen Morgendämmerung, bekam Nylan die Augen wieder auf. Er war erleichtert, dass nicht wieder Blitze zuckten und Bilder flackerten wie am Abend zuvor. Vorsichtig und behutsam setzte er sich in der Stille auf. Unnatürlich ruhig war es, nicht einmal Insekten oder das Raunen von Gras im Wind war zu hören. Wieder war sein Mund ausgetrocknet und schmeckte nach Asche. Eine Asche, die dem Grau des Morgens entsprach. In seinem Kopf pochte es dumpf, die Schultern und der Rücken waren wund und steif. Die Gesichtshaut tat weh, spannte und juckte, alles gleichzeitig.
Mit zitternden Händen suchte er seine Stiefel, die Sylenia ihm ausgezogen hatte. Allein wäre er dazu sicher nicht mehr in der Lage gewesen. Dann angelte er sich die Wasserflasche und trank einen großen Schluck.
Ayrlyn rollte sich auf ihrem Lager herum. Er wartete und trank noch einen Schluck, während sie sich mühsam aufrichtete.
»Guten Morgen.«
»Ich bin völlig erledigt ... und du nimmst mich noch auf den Arm«, grollte sie. Steif, wie sie war, bewegte sie sich nur vorsichtig.
Er gab ihr die Wasserflasche, die sie behutsam nahm, um ebenfalls etwas zu trinken.
»Ihr zwei«, sagte Sylenia, indem sie sich herumdrehte. Sie langte nach ihren Stiefeln und zog sie an. »Es stinkt hier, aber das wird sich wohl vorläufig nicht ändern.«
Nylan sah an Sylenia und Ayrlyn vorbei nach Osten. Das orangefarbene Glühen verriet ihm, dass die Sonne bald aufgehen würde. Dünne Rauchfäden stiegen vom versengten Hügel auf. Die vier Pferde, an eine Leine gebunden, die Sylenia gespannt hatte, grasten mehr oder weniger erfolgreich die paar braunen und grünen Grasbüschel ab, die im Umkreis überlebt hatten.
»Ist es auch sicher, wenn wir jetzt aufbrechen? Nachdem wir gegessen haben, meine ich?«, fragte Sylenia.
»Ja«, antwortete Nylan. »Falls keine weiteren Bewaffneten kommen.«
»Gut.«
Ayrlyn runzelte die Stirn.
»Was ist?«, fragte er.
»Du bist älter geworden«, sagte Ayrlyn. »Aber es ist nicht das Haar.«
Er drehte sich um und sah sie genau an. Ihre Haare waren immer noch feuerrot, aber sie hatte Falten um die Augen und in den Augen und darunter war es dunkel. Ihre Haut war stellenweise verbrannt und schälte sich ab. »Du auch.«
Sie trank noch einen Schluck aus der Wasserflasche. »Wir müssen uns etwas überlegen, um das Ganze ungefährlicher zu gestalten.«
»Hast du Vorschläge?«
»Nein, aber wenn wir gegessen haben und uns besser fühlen, werden wir noch etwas hier sitzen bleiben und mit den Energien spielen, bis wir es verstanden haben, denn wenn wir es noch einmal tun, ohne es richtig zu verstehen, sind wir alt und grau oder sogar tot.«
»Oooh.« Weryl aalte sich auf seinem kleinen Lager und streckte Arme und Beine von sich.
»Er fühlt sich mit Sicherheit besser als wir«, meinte Nylan.
»Das ist auch nicht
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