Der Chaos-Pakt
bis der Karren den Kanal überwunden hatte. Die Räder warfen dunklen Dreck aufs Straßenpflaster. Nylan fuhr unwillkürlich zusammen, dann zuckte er mit den Achseln.
Am Ende der Häuserzeile öffnete sich die Straße zu einem kleinen Platz, an dem ringsum Geschäfte lagen. Vor den Läden standen einige Schubkarren auf dem Pflaster. Eine Hand voll Menschen, meistens Frauen, drehte sich um, als der Trupp auf den kleinen Platz geritten kam.
»Ihr seid nicht gerade sehr willkommene Besucher«, meinte Tonsar.
»Das ist mir klar.« Nylan rutschte im Sattel herum und betrachtete seinerseits die Menschen, die ihn anstarrten. Niemand rührte sich, als die Gruppe quer über den Platz ritt und sich einer weiteren engen Straße näherte.
Weniger als dreihundert Ellen dahinter endete die Straße und sie standen vor einer weiten Grünfläche, hinter der sich der Bergfried von Lornth erhob. Der Turm war aus dem gleichen hellrosa Granit gebaut wie die Mauer, die ihn umgab. Sehr beeindruckend war die Mauer nicht, höchstens zehn Ellen hoch und drei Ellen dick – eine Barriere, die eher zu einem ländlichen Anwesen passte als zum Sitz eines Fürsten, dachte Nylan.
Zwei schwere, mit Eisen beschlagene Holztore standen offen, vier bewaffnete Fußsoldaten hielten Wache.
Tonsar zügelte vor ihnen sein Pferd und nickte. »Die Engel, die den Regenten vorgestellt werden sollen.«
Der kleine schmale Wächter, der mit einer Art Hellebarde bewaffnet war, nickte. »Die Regentin Zeldyan wünscht die Engel im Turmzimmer zu sprechen, sobald sie eingetroffen sind.«
Tonsar nickte knapp und lenkte sein Pferd durchs Tor. Die Hufschläge hallten laut auf dem hellrosa Pflaster des Hofes, als die Reiter dem Anführer um die Nordseite des Turms folgten.
Nylan bemerkte, wie schwach die Festung besetzt war. Nur ein Zug Bewaffnete? Vier Wächter am Tor?
Die Ställe waren hinten in einem Nebengebäude mit Ziegeldach untergebracht. Der Lehmboden, der eher nach Stroh und Pferden als nach Stallmist roch, war sauber gefegt. Leises Gackern verriet Nylan, dass irgendwo in der Nähe Hühner gehalten wurden.
Dankbar stieg er von der Stute, streckte die Beine und Schultern und dann die Arme. Die linke Schulter wurde immer noch schneller steif als die rechte. Seine Hand streifte einen verwitterten Dachbalken. Richtig, in primitiven Kulturen baute man niedrige Räume.
»Ihr könnt Eure Pferde hier im Stall lassen, Eure Sachen werden in Euer Quartier gebracht.«
Ayrlyn löste den Kasten mit der Lutar vom Packpferd. »Dies hier nehme ich selbst, es ist ein Musikinstrument.«
»Wie Ihr wünscht, Engel«, erwiderte Tonsar lachend.
Nylan dachte an den Kompositbogen, aber er wollte nicht unnötig die Aufmerksamkeit der Leute erregen und die Einheimischen konnten ihn ohnehin nicht kopieren. Außerdem wirkte die Waffe, in geöltem Leder verpackt, mehr oder weniger wie ein beliebiger anderer Bogen.
Auch hier sahen die wenigen Menschen, die im Hof unterwegs waren, neugierig zu, wie die Engel über das Pflaster zum Hauptgebäude gingen.
Der Bewaffnete führte sie eine Steintreppe in einen älteren Turm hinauf und blieb vor einer dunklen, schimmernden Holztür stehen. Davor hielt ein breitschultriger Mann Wache, der einen geschmückten Brustharnisch und ein Kurzschwert trug. Bei einer Wache, die im Gebäude selbst Dienst tat, war ein Kurzschwert natürlich die bessere Waffe. Neben dem Wächter stand ein Knappe.
»Melde die Engel bei der Regentin an«, befahl der Bewaffnete.
Der Knappe huschte hinein. Nylan konnte einige Worte verstehen, die drinnen gesprochen wurden.
»Fürstin Zeldyan, die Engel ...«
Fast sofort ging die Tür wieder auf.
»Ihr könnt eintreten«, erklärte der Knappe.
»Legt Eure Schwerter außerhalb des Raumes ab«, sagte der Wächter.
»Lassen alle Krieger ihre Waffen hier?«, fragte Nylan.
»Wenn es Euch lieber ist«, antwortete der Wächter, »dann könnt Ihr sie auch auf den Tisch hinter der Tür legen. Niemand wird sie anrühren.«
»Danke«, sagte Nylan. »Ich muss allerdings die Klinge aus dem Schultergeschirr ziehen.« Er sah Weryl an, der verschlafen zu ihm aufschaute.
»Warum ... oh.«
Der Knappe öffnete die dunkle Tür und Nylan erblickte den dunklen, verkratzten und etwa hüfthohen Tisch. Er legte beide Klingen nebeneinander ab. Ihm war klar, dass man ihn überwältigen konnte, bevor er Gelegenheit hatte, die Klingen zu erreichen. Ayrlyn folgte seinem Beispiel.
Eine schlanke blonde Frau mit durchdringenden grünen Augen
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