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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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und schäbig vor, und seine Wut auf den Piraten Jawy, dem sie all dies zu verdanken hatten, loderte wieder auf. Ó Moghráin und Bride waren gute Männer gewesen. Und viel zu jung, um zu sterben.
    »Bride un Ó Moghráin, der Arme, sin nu mal tot, un du, Vitus, konntst nix dran machen.« Phoebe schien seine Gedanken erraten zu haben.
    »Wenn ich doch nur gesund geblieben wäre.«
    »Biste aber nich. Biste denn jetzt wieder auf’m Damm?«
    »Ich denke, ja. Das Fieber ist weg, und mein Puls scheint auch normal zu sein. Ich fühle mich nur unendlich schlapp. Aufstehen könnte ich bestimmt nicht.«
    »Brauchste ja auch nich. Willste noch ’n Wickel?«
    »Nicht nötig, danke.«
    Drüben begann Bantry vor sich hin zu pfeifen. Offenbar machte er Fortschritte beim Zusammenfügen des Radschlosses.
    Phoebe steckte den Stirnwickel weg. »Will meinen eignen Kopf essen, wenn Bantry uns nich was vormacht. Von wegen ›Signalschüsse‹. So, kann nich länger bleiben, Vitus, ’s Feuer geht sonst aus, un Phyllis pennt. Versprichste mir, dassde aufpasst? Der Bursche is mir nich geheuer, nich geheuer is mir der, das sach ich dir.« Sie erhob sich lautlos und schlüpfte, unbemerkt von Bantry, wieder nach vorn.
    »Ich verspreche es«, sagte Vitus.
    Bantry legte den Schraubendreher beiseite und fluchte leise vor sich hin. Bis eben war alles noch in schönster Ordnung gewesen, Teil auf Teil hatte sich wie von selbst zusammengefügt, doch nun fehlten ihm zwei Schrauben, zwei kleine, lächerliche Schrauben mit Halbrundkopf, nicht besonders lang, aber möglicherweise wichtig.
    Suchend wanderten seine Augen auf dem Bootsboden hin und her. Er hob eine Taurolle an, schaute unter ein leeres Fass, schob eine gebrochene Dolle beiseite. Nichts. Die verfluchten Schrauben! Wo waren sie? Abermals spähte er nach ihnen, doch sie schienen wie vom Meer verschluckt zu sein. Ihm fiel ein, dass sie vielleicht durch die Bodenplanken gefallen waren, hinunter ins Bilgewasser, das ständig ein, zwei Zoll über dem Kiel stand. Dann waren sie ohnehin unauffindbar.
    Aber vielleicht waren sie auch nicht so wichtig.
    Er hatte die Radfeder ein paar Mal mit dem dafür notwendigen Schlüssel gespannt und probeweise den Abzug betätigt, und jedes Mal hatte ein kurzes »Rrrtsch« angezeigt, dass die Feder das Rad in Drehbewegung versetzte. Der Mechanismus funktionierte also. Warum sollte dann nicht auch das ganze Schloss funktionieren! Nein, er brauchte die Schrauben nicht. Wenn er es recht bedachte, konnte es gar nicht anders sein. Seine Laune hob sich wieder. Er begann das Schloss in den Musketenschaft einzupassen, und als er damit fertig war, kam ihm eine großartige Idee.
    Er würde die Männer noch in dieser Stunde töten.
    Jetzt, wo alle schliefen, hatte er die Überraschung auf seiner Seite. Und Licht gab es genug. Er würde zuerst diesen eingebildeten Cirurgicus erschießen, ein Kinderspiel auf die kurze Entfernung.
    Umgehend begann er, die Muskete zu laden, wobei er reichlich Pulver und Zündkraut nahm. Nachdem das Pulver im Lauf war, stopfte er es mit dem Ladestock fest. Dann schob er die Kugel hinterher, die, wie er alsbald feststellte, nicht saugend ins Rohr passte, wie es eigentlich sein sollte, doch er machte sich weiter keine Gedanken darum. Auch nicht, als sie in der Mitte des Laufs klemmte. Er überwand das Hindernis, indem er sie ein paar Mal kräftig mit dem Ladestock anstieß. Schließlich saß sie vor der Pulverladung, bereit, abgeschossen zu werden. Er grunzte zufrieden. Sie war hineingegangen, also würde sie auch wieder herauskommen. Und sie würde ein hübsches, sauberes Loch in der Stirn des hochnäsigen Cirurgicus hinterlassen.
    Danach legte er sich die beiden Harpunen griffbereit hin. Er ging davon aus, dass der Schuss die übrigen Männer mittschiffs aufschrecken würde, ein Umstand, der ihm sehr zustatten kam. Denn so konnte er sie mit den rasiermesserscharfen Harpunen besser treffen. Er musste an einen Mann denken, den er vor Jahren in Habana kennen gelernt hatte, einen Kerl mit den Körperformen einer afrikanischen Kalebasse. Der Bursche stellte in seinem Haus die unmöglichsten Dinge für die Gaffer aus, darunter Schmetterlinge, deren Flügel so groß waren wie die Hand eines ausgewachsenen Mannes. Die Schmetterlinge steckten auf starken Nadeln, und genau so, wie sie durchbohrt worden waren, so wollte er auch die Speichellecker dieses aufgeblasenen Cirurgicus aufspießen.
    Er spähte noch einmal nach vorn. Die Speichellecker,

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