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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Phyllis?«
    »Ja, ja, trocken.«
    Phyllis machte sich daran, die Glut zu schüren.
    An den folgenden Tagen litten sie keinen Hunger, denn es war, als hätten die Fliegenden Fische einzig und allein die
Albatross
zum Ziel ihrer Flüge auserkoren. Jeden Tag fand sich ein gutes Dutzend dieser Meeressegler im Boot, und Phoebe kochte ständig Fischsuppe, wobei die Bezeichnung »Fischsuppe« übertrieben war, denn sie bestand aus nichts anderem als Fisch und Wasser.
    Wie alles, was ohne weiteres und in ausreichender Menge verfügbar ist, verlor auch die Suppe nach kurzer Zeit den Charakter des Besonderen, und Phoebe sprach eines Morgens zu Jack: »Na, Jack, du Scheusal, weißte was? ’ne Henne wär mir lieber als ’n Hahn, nix für ungut, ’ne schöne, dicke Henne, so eine, die noch ’n Ei im Ar … äh …« Sie blickte sich um, aber niemand außer Phyllis war in der Nähe. »… ’ne Henne, die noch ’n Ei im Arsch hat. Haste das schon mal gesehn, Phyllis? Nee? Wennde ’ne Henne ausnimmst, is manchmal hinten noch ’n Ei drin, ’n Ei, dasse noch nich gelegt hat, verstehste. Ach, jetzt ’n Ei …!«
    Jack, der Hahn, beäugte Phoebe aufmerksam von unten und stellte den Kamm auf.
    »Brauchst keine Angst nich haben, oller Gockel.« Phoebe schob ihm ein paar Fischstückchen in den Käfig, die er zögernd aufpickte. »Bist Phyllis un mir ans Herz gewachsen, ja, das biste, nich, Phyllis?«
    »Ja, ja, ans Herz gewachsen«, bestätigte Phyllis.
    »Darf man fragen, was euch, meine Töchter, ans Herz gewachsen ist?« Ambrosius hatte seinen langen Körper in den Bug gezwängt und stand nun vor den beiden jungen Frauen.
    Phoebe antwortete: »Jack isses, Vater, verstehste, er is nur ’n Tier, aber für mich isser mehr Wert als ’n Mensch, na ja, ’türlich nich als alle Menschen, aber mehr Wert als so ’n Hundsfott wie Bantry, das sach ich freiraus, un wenn der Hundsfott zehnmal tot is.« Sie nickte ein paar Mal ernsthaft. »’s musste mal gesacht werden, nich, Phyllis?«
    »Ja, ja, ’s musste«, bestätigte Phyllis.
    »So, un jetzt mussich nach hinten, hab Hewitt ’n Becher Suppe versprochen.«
    Ambrosius machte höflich Platz, was allerdings wegen seiner langen Gliedmaßen nicht ganz einfach war. »Auch ich habe nichts gegen Jack«, rief er Phoebe hinterher. Dann, sich plötzlich der Nähe zu Phyllis bewusst werdend, setzte er leicht verlegen hinzu: »Auch wenn ich der Meinung bin, dass er, nun ja, im Zweifelsfall in den Topf gehört.«
    Phyllis schaute ihn aus großen blauen Augen an.
    »Nun ja, äh …« Ambrosius stellte fest, dass die Farbe ihrer Augen an blühende Kornblumen erinnerte. Seine Verlegenheit wuchs. »Du musst wissen, dass Gott der Herr die Haustiere schuf, damit sie dem Menschen als Nahrung dienen. Wie also könnte ein Christ etwas dagegen haben, sie zu verspeisen!« Er war sich nicht sicher, ob es eine Stelle in der Bibel gab, die seine Behauptung bestätigte, aber das war für den Augenblick egal.
    Phyllis fuhr fort, ihn anzublicken.
    »Nun, äh … wenn ich es genau nehme, bin auch ich den Tieren sehr zugetan. Allen Tieren. Erinnerst du dich an die Delphine, die vor einiger Zeit um das Boot herumschwammen? Ich fand sie ganz reizend, wirklich reizend, äh … Sie waren doch reizend, nicht wahr?«
    »Ja, ja, reizend.«
    »Ja, ganz meine Meinung. Hm … Gestattest du mir eine Frage?«
    Phyllis schaute ihn an.
    Ambrosius nahm das als Bestätigung. »Wieso antwortest du eigentlich stets mit der doppelten Bejahung, gefolgt von dem letztgenannten Adjektiv im Fragesatz?«
    In Phyllis’ blaue Augen trat Unverständnis.
    Ambrosius bemerkte es und biss sich auf die Lippen. Er musste sich einfacher ausdrücken, aber das war für ihn, einen studierten Mann, nicht ganz leicht. Er beschloss, die Dinge beim Namen zu nennen: »Warum antwortest du immer nur mit ›Ja, ja, reizend‹ oder ›Ja, ja, komisch‹ oder ›Ja, ja, trocken‹? Fällt dir denn gar nichts anderes ein?«
    Kaum hatte Ambrosius das gesagt, bemerkte er zu seinem Schrecken, wie unhöflich, ja verletzend seine Direktheit auf Phyllis wirken musste, deshalb sprach er rasch weiter: »Nun, jedenfalls fand ich die Delphine ganz reizend. Es sind offenbar sehr gesellige Tiere, sehr verspielt, sehr akrobatisch, sehr äh …«
    »Ich sach auch ›Ja, ja, kein Gran‹ un ›Ja, ja, viel zu schade‹ un ›Ja, ja, ’n verdammich schlechtes Zeichen‹.«
    »Wie bitte? Hoppla! Du kannst ja doch noch anders reden! Was hast du gesagt?«
    Die blauen

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